Wie die Alten sungen - Eier einlegen
Gestern, ich war mit okay und U. zum Beerensammeln unterwegs, überraschte uns ein Regenschauer. Wir zogen uns unter eine dicht benadelte Fichtengruppe zurück und versuchten den Schauer auszusitzen.
Keine Ahnung, wie die Rede darauf gekommen war, ich erzählte davon, wie ich als Kind in Herbst und Winter, besonders in der backfreudigen Vorweihnachtszeit, von meiner Mutter in den Keller geschickt wurde, um ein paar Eier zu holen. Das war schon eine Mutprobe und mein zweieinhalb Jahre jüngerer Bruder traute sich das anfangs nicht.
An die Stelle des Kellers, wo das aus Kindersicht riesige Ton Fass stand, drang kaum Licht hin und man konnte nie wissen, welche der Monster und Unholde aus den Märchen und Alpträumen da lauern mochten.
Ich schob den Ärmel der Strickjacke zurück und krempelte den Hemdsärmel hoch tauchte mit Hand und Arm tief in das Fass und fischte nach den anfangs aufrechtstehenden Eiern (später, wenn sie nicht mehr so dicht an dicht standen, fielen sie zur Seite hin um.). Je nachdem wie viele Mutti brauchte, griff ich einmal pro Ei in die Kalkbrühe, fischte es heraus und legte es in die mitgebrachte Schüssel, die mir in die Hand gedrückt worden war, nie ohne den Hinweis sie ja nicht fallen zu lassen auf den harten Steinstufen hinunter zum Keller.
Hatte ich die Eier in der Küche abgeliefert, stolz mein Lob entgegengenommen, musste ich erst mal im Badezimmer die Kalkreste von Hand und Arm abwaschen, bevor ich mich wieder ordentlich bekleiden konnte.
Früher war es nicht üblich, dass man - mittels künstlichem Licht und Heizung - die Legeperiode der Hühner auch im tiefsten Winter aufrechterhielt. Die Hühner durften eine Pause machen, schränkten das Eierlegen stark ein oder ließen es ganz sein, besonders während der Mauser, der Zeit des Wechsels des Federnkleides.
Also sammelte man im Spätsommer - besonders geeignet galten die Eier, die um Mariä Himmelfahrt herum (15 August), sogenannte „Fraueneier“, gelegt worden waren - üerzählige Eier in einem Gefäß aus Ton (Steingut) und legte sie in Kalkwasser ein.
In der Regel wurde Löschkalk verwendet (Calciumhydroxid) der war meist vorrätig, weißelte man doch damit die Räume fast jährlich reihum zur Desinfektion. Ein Wenig Leinölfirnis zugesetzt verhinderte, dass die Wand abging, wie man sagte und sich weiße Kleidung holte, wenn man sich anlehnte.
Zwei Esslöffel Kalk auf einen Liter Wasser war eine gebräuchliche Dosis.
Die Eier wurden stehend dicht an dicht in das Fass gestellt. Auf den „Arsch“, wie man sagte. Befruchtete Eier haben nämlich an einer Seite eine deutlich breitere und flachere Stelle. Heute, die Industrieeier stammen aus Legebatterien und die Hühner lernen in ihrem Leben keinen Hahn kennen, sind die Eier meist gleichmäßig oval.
Die Eier wurden gerne mehrere Lagen hoch geschichtet und dann so zwei Zentimeter tief mit Kalkwasser bedeckt. Der Kalk füllte die Ritzen und Poren der Eier und verschloss und konservierte sie. Die Eier sollten nur abgewischt mit einem trockenen Tuch, keinesfalls gewaschen werden. Deshalb eignen sich für das „Einkalken“ auch keine Industrieeier. Die werden meist maschinell gereinigt.
Grund, durch das Waschen wird der Dreck in die Poren gerieben, er dringt in das Ei ein und verstopft die Poren, ohne sie völlig zu verschleißen, so dass der Kalk nicht richtig eindringen kann.
Alternativ zum Löschkalk wurde auch „Wasserglas“ verwendet. Wasserglas, ein wasserlösliches Alkalisilikat, greift Glas und andere Materialien an weswegen es in Steingutflaschen gelagert wird. Auf 500 Milliliter Wasserglas-Lösung gibt man 4,5 Liter abgekochtes kaltes Wasser.
Eingelegte Eier halten sich mehrere Monate, wenn sie kalt und dunkel stehen, 6 bis 8 Monate ist keine Seltenheit.
Für Selbstversorger, die sich Hühner halten und Eier essen, ist das eine Technik, die nicht in Vergessenheit geraten sollte.
Wir auf dem Lichthügel halten keine Hühner und essen in der Regel keine Eier. Grund: um Eier zu bekommen, nützt man den Fortpflanzungsinstinkt der Hühner aus. Die versuchen ein Nest voller Eier zu sammeln um sie, sind genügend zusammen (9 bis 13 je nach Größe, die Glucke muss sie ja völlig abdecken können), setzt sich die künftige Mutter drauf und beginnt sie zu bebrüten. Das dauert ca. 21 Tage.
Die Hühner merken oft, dass ihnen die Eier geklaut werden und versuchen ihr Gelege zu verstecken. Finden es die Eierdiebe nicht, kommt vielleicht nach ein paar Wochen die frischgebackene Mutter mit ihrer Kinderstube zum Vorschein und präsentiert stolz, aber sehr beschützend ihren Nachwuchs.
Der Begriff der „Glucke“ (Mutter, die ihre Kinder sehr beschützt und vor aller Unbill bewahren möchte) ist heute noch gebräuchlich, auch wenn kaum noch wer eine Hühner- Glucke in Aktion erlebt hat.
Nun, ich bin der Meinung, dass es nicht gerechtfertigt ist, ohne Not Hühner fortwährend ihre Eier zu klauen, so dass die Glucke es nicht schafft genügend Eier zusammen zu bringen, um sie auszubrüten. Die Horror- Verschwörungs- Vermutung der kinderfressenden menschlichen Monster ist gegenüber den Hühnern (und anderen Tieren) grausame menschliche Wirklichkeit.