RE: Philosophie

#76 von petias , 30.01.2024 17:37

Brainstorming

Die Eule hat mir privat mit dem Betreff: "Brainstorming" folgenden Text übermittelt.

Zitat
Menschliches Zusammenleben ist von Anfang an durch Hierarchie geprägt, weil's eben immer Unterschiede zwischen den Individuen gibt, objektive und subjektive, und neben den physisch überlegenen "Platzhirschen" gab's sicher schon recht früh Diejenigen, die über privilegierendes Wissen verfügten bzw. die Fähigkeit, dies den Anderen glaubhaft zu machen, um persönliche Vorteile daraus zu ziehen.

Die historischen Spielarten, die sich daraus im Laufe der Menschheitsgeschichte entwickelt haben, hatten im Wesentlichen immer zur Folge, dass Wenige auf Kosten von Vielen gut leben konnten, bis es den Vielen gestunken hat, und eine Art von Umsturz zu einer gewissen Umverteilung, aber nie wirklich zu einem grundsätzlich anderen System führte, denn es wechselte lediglich die Besetzung der leitenden Posten, ob es nun feudale, ständische, kapitalistische, "sozialistische" oder autokratisch-absolutistische Systeme sind. Immer versucht eine kleine Minderheit Macht und Besitz auf Kosten der großen Mehrheit anzuhäufen, es unterscheiden sich lediglich die Methoden, wie man jeweils versucht, die Mehrheit so effektiv und lange wie möglich ruhig zu stellen.

Die technologisch mögliche Maximierung der Ausbeutung der terrestrischen Ressourcen konnte, verbunden mit einer scheinbaren Chance für Jeden, im System die Seiten zu wechseln (beispielhaft "bewiesen" durch öffentlichkeitswirksam medial gehypte Einzelfälle), für 2 -3 Generationen im Westen "das Volk" zufrieden stellen, aber genau das funktioniert nun nicht mehr.

Die "Regierenden" laufen kreuz und quer wie eine aufgeschreckte Hühnerschar und haben kein Konzept, weil's eben nicht geht: "you can't have the cake and eat it too".

Bei einem Wechsel der Regierung, die vor der Wahl verspricht, Alles wieder zurück zu drehen, was die Vorgänger versucht haben, und damit den Wunsch bedienen, es könne Alles wieder so werden "wie früher", wird sich erneut nur die Klientel ein wenig ändern, welche die verbleibenden Chancen nutzt, abzugreifen, was noch irgendwie abgegriffen werden kann, aber die Illusion einer nachhaltigen Problemlösung wird wie zuvor die Legislaturperiode nicht halbwegs überleben.

Angeblich müssen die Bauern über den Einsatz und Dieselverbrauch ihrer Traktoren akribisch Buch führen, um sich die Mineralölsteuer erstatten lassen zu können, weshalb es angeblich ausgeschlossen ist, dass sie auch private Diesel-Pkw mit Agrardiesel betreiben. Wie sieht es denn mit den Traktorfahrten zu Demos aus? Steuerbefreit?



Ich finde diese Kurzsoziologie des Menschen sehr treffend!
Die Eule findet den Text nicht ausgefeilt genug und bemängelt den fehlenden Lösungsansatz, hat mir aber erlaubt, das "Brainstorming" einzustellen.


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RE: Philosophie

#77 von petias , 01.02.2024 01:53

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 7 (Demokratie - Autokratie 1)

Zitat von petias im Beitrag #67
Ein Stück Wahrheit, an das wir glauben, ist unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.

Wir haben gesehen, dass der Kapitalismus, die einzige derzeit praktizierte Wirtschaftsform, nicht von einer demokratischen Grundordnung abhängt. Zur Zeit des kalten Krieges mag das so ausgesehen haben, aber inzwischen hat die Treuhand das DDR- Staatsvermögen in private Hand gegeben und unter Jelzin wurde das UDSSR- Staatsvermögen privatisiert. In kürzester Zeit sind superreiche Oligarchen entstanden. Unter Putin hat sich das fortgesetzt. Putin gilt heute als der reichste Oligarch von allen. In China wird gerade der Baukonzern Evergrande abgewickelt. Er kann die Zinsen für 300 Milliarden Dollar nicht mehr bezahlen. Nach Chapter 15 des US-Insolvenzrechts hat das Unternehmen aber die Möglichkeit, sich vor Klagen amerikanischer Gläubiger zu schützen, während das Unternehmen in China umstrukturiert wird.

Im Demokratieindex von 2021 gilt Norwegen als der am meisten demokratische Staat gefolgt von Neuseeland. Deutschland nimmt Platz 14 ein. Mit Platz 24 ist Süd Korea das letzte Mitglied der "Vollständigen Demokratien". Die USA mit Platz 30 im Ranking ist bereits eine "Unvollständige Demokratie".
Von Bangladesch (73) bis Mauretanien (108) erstreckt sich die Gruppe der "Hybridregime".
Russland (146), Volksrepublik China (156) stecken tief in der Gruppe der "Autoritären Regime", deren Abschluss Afghanistan (167) bildet.
74 Staaten werden als Demokratien gelistet (vollständige und unvollständige), 45,7 % der Weltbevölkerung leben demnach in einer Demokratie und 54,3 % nicht.

Die Tendenz geht in Richtung Autokratie. Die Demokratien haben im Vergleich zu 2020 um 3,7 Prozent abgenommen.

Was ist eigentlich eine Demokratie? Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Volksherrschaft". Das Wort wird als erstes von Herodot um 430 v. Chr. verwendet.
Dabei muss man wissen, dass in einer griechischen Polis das Demos (Volk) nur aus den freien Männer, die als mündige Bürger an der Ekklesia, der Volksversammlung, teilnahmen bestand. Die Frauen, Sklaven und Metöken (Ausländer) gehörten nicht dazu.
Die Gruppe, über die es zu bestimmen galt in so einer griechischen Polis (Stadtstaat) war recht überschaubar ebenso war es die Komplexität der Welt. Die Universalgelehrten wussten noch über alle Wissensgebiete der Welt bescheid. Heutzutage ist es den Gelehrten kaum mehr möglich, auch nur das Wissen ihrer Fachdisziplin vollständig zu überblicken.

Heute gibt es Berufspolitiker, die sich im Rahmen einer repräsentativen Demokratie von ihren Wahlkreisen wählen lassen und sich Vollzeit mit Politik befassen. Es wird viel Steuergeld für Spezialisten ausgegeben, die sie beraten. Ihr politisches Handeln wird hauptsächlich von Lobbyisten (Interessensgruppen, die versuchen die Politik zu beeinflussen), Parteidisziplin und Expertenmeinungen bestimmt.

Zur Demokratie nach heutigem westlichem Verständnis gehören allgemeine, freie und geheime Wahlen, die Aufteilung der Staatsgewalt bei Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf voneinander unabhängige Organe (Gewaltenteilung) sowie die Garantie der Grundrechte.

Das Wahlvolk nimmt eine eher passive Haltung ein. Es hört sich im Wahlkampf an, was die Politiker versprechen und suchen sich aus, was ihnen am wichtigsten ist. Dann haben die Gewählten auch zu liefern, sonst werden sie nicht wiedergewählt. Die Wahlen sind alle paar Jahre, beim Zerbrechen der Regierung auch häufiger. Eine langfristige Politik ist damit nur schwer zu machen. In der Hinsicht haben es Autokraten leichter, sie können langfristig planen. Damit, dass der eigenen Sturz dazwischen kommen könnte, wird nicht gerechnet, bzw. man versucht sich dagegen zu wappnen.

Das Wahlvolk neigt dazu, bei schwieriger Lage und schwieriger Politik Führer zu wählen, die schnelle einfache Lösungen versprechen und die charismatisch genug sind, dass viele ihnen die Umsetzung auch zutrauen. Massendynamik und "wir gegen die" Effekte spielen eine große Rolle. Charismatischen Führern folgen die Massen manchmal bis zum Untergang. Die Erkenntnisse aus den Ereignissen der Geschichte verblassen mit dem Aussterben der Zeitzeugen.

Die Ideen der Demokratie, das Menschenbild der Demokratie halte ich für ein hohes Gut. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, und wir sollten es tun. Aber ich befürchte, dass sie in stürmischen Zeiten nicht wird standhalten können, weil das Menschenbild, das sie hat ein Ideal ist, das leider nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hat. Um mehrheitlich bewusste Demokraten zu werden, Menschen mit Durchblick und Bewusstsein, braucht es noch viel mehr Bildung, Übung und Reifung. Die Zeit dafür, werden wir nicht haben!

Demgegenüber steht eine weitere Entwicklung, die noch ausführlich zu besprechen sein wird: der rasante "Fortschritt" von Wissenschaft und Technik. Er führt uns in eine Welt, die von noch so gebildeten und geübten Demokraten nicht mehr zu durchschauen sein wird und damit nicht vernünftig von Menschen politisch regiert werden kann.
Überleben könnte vor diesem Hintergrund nur eine nominelle Demokratie, die bestenfalls noch zwischen maschinenbasierten Gesetzen und Entscheidungen wählen kann, die wir nicht beurteilen können. Selbst diese Entscheidung ist vermutlich vorgeplant und die Wahl der "richtigen" wird durch Manipulation bewirkt.

Um die Demokratie und das dahinterstehende Menschenbild zu erhalten, müssten wir uns auferlegen in einer Welt zu leben, die vom Menschen noch beherrschbar ist. Dass das ohne Zusammenbruch der derzeitigen Kultur (durch z.B. einen Atomkrieg mit Milliarden Toten) geschehen könnte, halte ich für völlig unrealistisch. Im Vergleich dazu wäre die Abschaffung des Zins (siehe die voranstehenden Beiträge) ein Kinderspiel!


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RE: Philosophie

#78 von Eule ( Gast ) , 01.02.2024 09:00

auf den Punkt!
Eine Ergänzung vielleicht noch: ein signifikantes Merkmal, dass Autokratien den letzten Anschein demokratischer Legitimation fallen lassen, ist die Beseitigung jeglicher Beschränkungen ihrer legalen Amtszeit.
Vielleicht wird das Amt im nächsten Schritt dann wieder erblich, - eine Tendenz zu Clan-Strukturen ist hier und da ja zu beobachten.

Eule

RE: Philosophie

#79 von petias , 01.02.2024 09:43

Moin Eule,
ja, wenn Du den Verzicht auf (freie) Wahlen einschließt! Der reine Verzicht auf Begrenzung der Anzahl der Amtszeiten würde ich nicht dazu rechnen. Dass wir in Deutschland keine Begrenzung der Zahl der möglichen Amtszeiten des Bundeskanzlers, der Bundeskanzlerin haben (z.B. 16 Jahre Merkel) halte ich nicht für unmittelbar demokratiegefährdend.


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RE: Philosophie

#80 von petias , 05.02.2024 17:22

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 8 (Demokratie - Autokratie 2)

Zitat von petias im Beitrag #77
Die Ideen der Demokratie, das Menschenbild der Demokratie halte ich für ein hohes Gut. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, und wir sollten es tun.


Um sich für die Demokratie einzusetzen reicht es nicht, alle paar Jahre zur Wahlurne zu gehen oder die Briefwahlunterlagen abzugeben. Man wählt die Partei, die im Wahlkampf anscheinend am ehesten die Politik im eigenen Interesse macht, die man traditionell immer wählt oder deren Protagonisten gerade am sympathischsten sind. Erfüllen sie die Erwartungen nicht z.B. weil sie in einer Koalition gar nicht so können, wie sie wollen und versprochen haben, reagiert man verärgert und wählt künftig anders, mit gleichem Ergebnis. Sind die demokratischen Parteien durch, neigt man schon mal zur Protestwahl oder riskanten Experimenten.

Gerade in Zeiten, in denen die Werte der Demokratie von einigen Frustbürgern bereitwillig aufgegeben werden - es ist einer erstaunlich großem Menge potentieller AfD- Wählern egal, ob die Partei zur Verfassung steht oder nicht - darf man demokratisches Handeln nicht komplett delegieren. Die Hauptarbeit demokratischen Handelns liegt bei lokalen Initiativen in Gemeinden, Stadtteilen, Wahlkreisen, Landkreisen usw.

Hier ist oder wird man am ehesten mit den Problemen vertraut, die die Mitbürger bewegen. Man beeinflusst lokale Politik, lernt künftige Abgeordnete kennen und beurteilen, unterstützt die Kandidatur von solchen oder kandidiert selbst. Man hat bei der Wahl des Bürgermeisters, Gemeinde oder Stadtrates ein besseres Beurteilungsvermögen, wenn man diese aus gemeinsamer Arbeit an gemeinsamen Projekten kennt.

Im örtlich begrenztem Raum, wenn sich die Akteure kennen oder man Leute kennt, die sich kennen, wo die Probleme alle unmittelbar betreffen oder Familienmitglieder, Kollegen und Freunde, da kann die Demokratie noch direkt sein.

Die Schweiz gilt als die Demokratie mit dem höchsten Anteil an direkter Demokratie. Viele dem Bürger wichtige Themen werden per Volksabstimmung entschieden. Das hat auch Grenzen, denn es ist nicht leicht, wen nicht unmöglich, komplexere Entscheidungen als Ja / Nein Fragen zur Wahl zu stellen.

Eine weitere Form, Bürger in die Politik einzubinden ist die " Deliberative Demokratie" ( Latein: deliberatio = Beratschlagung, Überlegung) Hier werden z.B. Bürgerforen eingerichtet, die Themen beratschlagen und die Ergebnisse an die Repräsentanten der Politik übermittelt werden. Wie die damit umgehen beeinflusst deren Wiederwahl.
Interessant dabei ist, das die Vertreter dieser Bürgerforen nicht gewählt werden, sondern ausgelost. Damit wird sichergestellt, dass zufällige Mitglieder verschiedener Bevölkerungsgruppen in das Forum kommen. Nicht die, die am besten reden können, sympathisch sind oder schon gut bekannt. Das war übrigens auch in einigen der griechischen Polis so, aus genau demselben Grund.

In den Sozial Media wird diskutiert, eine umfassende direkte Demokratie einzuführen. Die modernen Medien erlauben es, schnell und per Mausklick die kompliziertesten Sachverhalte durch alle Bürger zu entscheiden. So zu sagen staatbürgerliches Verhalten immer und von überall. Solche unreflektierten Abstimmungen, noch dazu mit unüberprüfbarer Technik würden vermutlich das Land ins Chaos stürzen. Vermutlich könnte man so kurz hintereinander verschiedenen Gesetze mit widersprüchlichem Inhalt verabschieden, abschaffen, wiedereinführen je nach Geschick Stimmbürger zu aktivieren und im eigenen Sinne zu beeinflussen.

Das Verhältnis von regionaler, landesweiter, bündnisweiter und weltweiter Politik wird noch zu erörtern sein.

Hier stellen wir erst mal fest, dass direkte aktive Demokratie vor allem regional funktioniert und geeignet wäre Politikverdrossenheit zu überwinden und den frustrierten Wutbürger in den politischen Prozess einzubinden.

Initiativen, Begegnungsstätten, Feste, Veranstaltungen, Tauschkreise, Repair-Cafés, Arbeitsgruppen für gemeindliche Aufgaben - theoretisch und praktisch - alles was helfen kann, Begegnung fördert und Zusammenhalt auch und gerade zu Neubürgern - hilft. In diesem Kontext lassen sich dann auch geeignete Abgeordnete für die landesweite repräsentative Demokratie finden, die sehr viel direkter ihren Wählern verpflichtet sind, bzw. denen Rede und Antwort stehen müssen.

In dem Bereich werde ich noch konkrete Initiativen entwickeln und versuchen sie umzusetzen. Die Stimmung im Lande ist gerade günstig!

Als Nächstes möchte ich den Glaubenssatz "lieber tot als rot?" diskutieren, der auch einer der Bestandteile unseres Wertebündels ist.


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#81 von petias , 08.02.2024 16:01

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 9 (Lieber tot als rot?)

"Better dead than red" (lieber tot als rot) war ein Schlagwort, das während des kalten Krieges durch den "freien" Westen ging. Erfunden hat den Ausdruck allerdings (angeblich) Propagandaminister Goebbels im Rahmen seiner Reden, in denen er Durchhalteparolen dem deutschen Volk eintrichterte.
"Wollt ihr den totalen Krieg?", fragt Goebbels in der berühmten Propagandarede im Berliner Sportpalast. Und das Volk jubelt. "Wollt ihr den Krieg noch viel radikaler und totaler, als ihr ihn euch vorstellen könnt?". Noch mehr Jubel.

Damals, während des kalten Krieges, etwa bei den Demos gegen den Nato Doppelbeschluss, bildete sich eine breite Friedensbewegung. Die Partei "Die Grünen" entstand aus dieser Bewegung. Das Verbot von Waffenlieferungen war dabei zentral. Nichts davon ist übrig geblieben.

Die einzigen Parteien, die scheinbar für konsequenten "Frieden" eintreten ist die AfD und das Bündnis Sarah Wagenknecht, aus ganz offensichtlich taktischen Gründen, die nichts mit Friedenspolitik zu tun haben.

315 000 tote und schwerverletzte russische Soldaten
200 000 tote und schwerverletzte ukrainische Soldaten
10 000 tote Zivilisten in der Ukraine darunter Kinder
verseuchtes Land, gesprengte Staudämme, gefährdete Atomkraftwerke, 400 Milliarden Schaden durch Bomben und Raketen, einen CO2 Ausstoß durch den Krieg von 150 Millionen Tonnen CO2, soviel wie die jährlichen CO2-Emissionen Belgiens. Den größten "Schadensposten" stellen die absehbaren Wiederaufbau-Emissionen dar.

Und das ist nur der Krieg vor unserer Haustüre.

Heute geht es nicht mehr um rot. Welche Farbe man imperialistischen Kriegsherren auch zuschreibt, Krieg ist kein Mittel der Wahl. Eskalation und Weltbrand drohen die menschliche Kultur zu zerstören (wäre vielleicht nicht schade darum, aber als Menschen sollten wir Besseres wollen!).

Da puschen die Führer der beteiligten Lager, sicher in ihren Palästen und Bunkern sitzend, durch Propaganda, Angstszenarien und (pseudo)religiösen Ritualen die Massen auf und bei genauerem Zusehen haben eigentlich nur Eliten etwas zu gewinnen. Die Bevölkerung, vor allem die Soldaten, können nur verlieren, zuletzt ihr Leben.
Es gibt keine gerechten Kriege. Es werden Bevölkerungen dazu gebracht aufeinander los zu gehen, die sich gar nicht kennen, nichts gegeneinander haben vielleicht sogar gestern noch Freunde waren. Die Gräuel des Krieges werden der Gegenpartei zugeschrieben, die die eigenen Leute nur noch mehr aufputschen und mobilisieren. Doch der Krieg ist das Gräuel. Der Krieg enthemmt die Kämpfenden zu Folter und Vergewaltigung, reißt die dünne Zivilisationsschicht auf die als Kultur den Wilden einhüllt, dankbar im Gegner einen menschlichen Untermenschen gefunden zu haben.

Aber es gibt doch den "gerechten" Krieg.
Was? Fragst du. Sollen sich die Überfallenen nicht gegen machthungrige Eroberer, die gegen das Völkerecht verstoßen, wehren dürfen?
Doch: sie müssen es sogar. Aber Krieg ist kein geeignetes Mittel. Die Internationale Friedensbewegung wusste das noch. Aber heute, mit einem Krieg vor der Haustüre, gilt das nicht mehr?

Der "gerechte" oder "ungerechte" Krieg ist immer eine Frage der Perspektive.

Nur
Ein Mensch, der sagen wir als Christ
streng gegen Mord und Totschlag ist,
hält einen Krieg wenn überhaupt,
nur gegen Heiden für erlaubt.
Die allerdings sind auszurotten,
weil sie des wahren Glaubens spotten.

Ein andrer Mensch, ein frommer Heide,
tut keinem Menschen was zu leide.
Nur gegenüber Christenhunden
wäre jedes Mitleid falsch empfunden!

Der ew'gen Kriege blutige Spur
kommt nur von diesem kleinen "nur"
---------------------------------------------------Eugen Roth


Ja, sagst du, das mag ja beim Glauben und bei Religionskriegen so sein, aber ...
Was aber? Wenn Du noch nicht weißt, dass es nur Glauben gibt und keine Wahrheit, so fang nochmal von vorne an, diese Beitragsreihe zu lesen.

Despoten, zumal wenn sie Atomwaffen haben, muss man anders bekämpfen, als durch Kriege. Despoten sind von willigen Untertanen abhängig und auch Angst und Schrecken verbreiten können sie nicht alleine. Es gibt Methoden des gewaltlosen zivilen (bürgerlichen) Widerstandes, die ebenfalls effektiv und mit sehr viel weniger Helden und Toten auskommen, als Kriege. Es ist oberste Pflicht aller von Despoten beherrschten Völker sich ihrer Despoten durch solidarische Initiative zu entledigen. Scheitert ein Volk daran wie z.B. bislang die Russen, (die meisten ihrer ehemaligen Vasallen sind auf einem guten Weg) muss notfalls darauf gewartet werden, bis die Despoten an ihren Eroberungen ersticken, weil sie sich übernommen haben oder bis ihnen die Feinde ausgehen, die sie brauchen, um das Volk glaubhaft durch die Bedrohung von Außen bei der Stange zu halten. Ohne willige (durch Einschüchterung oder Einsicht oder Bekehrung zum Glauben) Untertanen funktionieren keine Staaten (gilt übriges auch für Demokratien)

Es sollten Demokratien, die es ernst meinen ihren Bürgern die Regeln des freien Zusammenlebens und die Methoden des zivilen Widerstandes lehren und einüben lassen. Das wäre dann sogar ein perfekter Spiegel für den eigenen Staat.

Ein Verfechter dieses Ansatzes war Gene Sharp (1928 - 2018) der zahlreiche Publikationen veröffentlichte.
Gelesen habe ich von ihm:
"Von der Diktatur zur Demokratie - Ein Leitfaden für die Befreiung" Das Lehrbuch zum gewaltlosen Sturz von Diktaturen.

Ein weiteres Strategie-Papier lieg mir vor in Form eines Buches von Martin Sellner, dem österreichischen Identitären, der als Chefideologe auch eine große Rolle bei der Rechten in Deutschland spielt. Alle AfD Größen sind schon mit ihm gesehen worden. Er war der Referent in Sachen "Remigration" bei dem besagten Treffen, das als Auslöser der aktuellen Protestwelle gegen Rechts gilt.
Da wird viel von Gene Sharp verwendet. Beim zivilen Widerstand und Kampf kommt es vor allem auf die Bevölkerung an, die sich aktivieren lässt. Das Thema bzw. das Ziel der Veränderung und wer als Diktator bezeichnet wird - wer die Guten sind und wer die Bösen - das ist Glaubenssache und hängt von der Geschicktheit der Missionare ab.

Gelingt es einem Eroberer, den Glauben zu ändern, dann war der neue wohl besser als oder genau so gut wie der alte. Wenn nicht, weil er ein menschenverachtender Despot ist, so kann das geschulte und überzeugte Volk ihn stürzen. Kriege führen müssen heutzutage nur Machthaber (schein)demokratisch oder offen totalitär, die sich ihrer Sache (Glauben) nicht ausreichend sicher sind (sein können).
Das einfache und bescheidene Volk hat auch bei einem Regime Change nicht viel zu verlieren. (Außer, wenn es rassistischer Verfolgung ausgesetzt ist). Um die Pfründe der Reichen und Mächtigen zu verteidigen, sollte der Bürger nicht bereit sein zu Elend, Tod und Vernichtung der Erde.

Und wieder sind wir bei der Wichtigkeit von politischer Arbeit in den Gemeinden und Stadtteilen. Ein lebendiges Gemeinwesen ist die wichtigste Keimzelle eines jeden funktionierenden Staates.

Die Stärkung der Internationalen Gremien wie die Vereinten Nationen ist anzustreben. Dann nimmt möglicherweise der imperialistische Machthunger ab.

Im nächsten Beitrag besprechen wir das "Zeit-Fenster für die Demokratie" das gerade dabei ist, sich zu schließen.


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RE: Philosophie

#82 von petias , 12.02.2024 00:01

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 10 (Das Zeit-Fenster für die Demokratie)

Die traditionellen Demokratien sind bedroht. In den USA war Mr. Trump kein einmaliger Ausrutscher. Knapp am Regierungsputsch vorbeigeschrammt mit vielen juristischen Verfahren an der Backe schickt er sich an, zum zweiten Mal Präsident zu werden.
Victor Orbán in Ungarn verkündete bereits 2018: "Die Epoche der liberalen Demokratie ist zu Ende" und rief die "illiberale Demokratie" aus.
Giorgia Meloni gewann die Wahlen in Italien und hat erst mal das Bürgergeld für Millionen Italiener gestrichen.
Die polnische Pis Partei hat die Wahlen nach Jahren der Regierung zwar verloren, aber Tusks demokratischen Bündnis will es nicht so recht gelingen den demokratischen Staat wiederherzustellen.
In Groß Britannien werden die rechten Tories und Brexit- Verfechter von noch weiter rechts vor sich hergetrieben.
Marine Le Pen hat gute Chancen die nächsten Wahlen in Frankreich zu gewinnen.
Der ultrarechte Geert Wilders hat die Wahlen in den Niederlanden gewonnen, auch wenn er sich jetzt schwer tut eine Regierung ans Laufen zu bringen.
Die AfD erwartet durch Umfragen ermutigt Erdrutschsiege bei den Landtagswahlen In Thüringen, Sachsen und Brandenburg und steht bundesweit bei über 20 Prozent. Sie faseln von Remigration und Reconquista (Die Rückeroberung der spanischen Halbinsel von den muslimischen Mauren durch die christlichen Reiche 722 bis 1492)

Die Symptome der schleichenden Aushöhlung der Demokratie sind überall ähnlich: Die Bevölkerung ist unzufrieden, weil ein ständiges "Mehr" und "Besser" nicht einzuhalten ist. Die politische Polarisierung nimmt zu, befeuert von populistischen und extremistischen Bewegungen oder der wachsende Erfolg einer etablierten Partei, die sich immer weiter radikalisiert. Das Vertrauen in etablierte demokratische Institutionen wird untergraben, indem die Legitimität des politischen Systems insgesamt permanent infrage gestellt wird. Soziale Ungleichheit, Desinformation insbesondere über soziale Medien und die mangelnde Transparenz politischer Entscheidungsprozesse verstärken diesen Prozess.

Je liberaler eine Demokratie ist, desto leichter gelingt es sie zu diskreditieren, attackieren und letztlich zu übernehmen. Die radikalen Kräfte versuche die staatlichen Stellen so sehr zu bedrängen, dass diese die "Wehrhafte Demokratie" bemühen und die Bedrohung mit Verboten und Strafverfolgung abzuwehren versuchen. Das setzt sie in den Augen der Kritiker ins Unrecht die das als Enttarnung einer Scheindemokratie feiern.

Die ständigen Attacken und Verunglimpfungen, gedeckt durch Meinungs- und Redefreiheit, entwerten systematisch Begriffe wie "multikulturell", "Willkommenskultur", "Integration" etc. und ersetzen sie durch Begriffe wie "Ersetzungsmigration", "Bevölkerungsaustausch", "Remigration", "Reconquista".

Ähnlich wie im Neusprech aus Orwells 1984 werden so Begriffe hoffähig gemacht, die den Aktivisten dienen und Begriffe verunglimpft, die ihrer Auffassung widersprechen, so dass sie ohne Erklärung und Rechtfertigung nicht mehr gebraucht werden können.
Hier werden systematisch und taktisch Erkenntnisse der Revolutionstheorie - entwickelt für den gewaltfreien Umsturz von Autokratien hin zur Demokratie - eingesetzt, die in Demokratien viel gefahrloser und leichter eingesetzt werden können als in Autokratien.
Haben die Kräfte sich erst mal an die Macht gemogelt, höhlen sie die demokratischen Strukturen aus, machen den Staat zur illiberalen Demokratie, zur Demokratiefassade. Eine Gegenbewegung ist jetzt sehr viel schwieriger!

Das Wahlvolk fungiert hier nur als manipulierbare Masse, den Psychologismen der Aktivisten weitgehend hilflos ausgesetzt.
Die zensierten Medien erschweren eine Beeinflussung der Massen in ungewünschte Richtungen.

Gelingt es dennoch, das Volk gegen die Autokratien zu mobilisieren, muss die Bewegung auch Polizei und Streitkräfte erfassen, damit die Autokraten gestürzt werden können.
Und jetzt kommen wir zum Zeit-Fenster:

Medienkontrolle, die Filterung der Nachrichtenströme, die Manipulation von Nachrichten fällt den Machthabern viel leichter als der Opposition. Die Digitalisierung der Bürgerdaten schafft den gläsernen Bürger und diese Informationen nützen den Machthabern, die bereit sind, sie zu missbrauchen.

Die Automatisierung gerade auf der Basis von künstlicher Intelligenz schreitet massiv fort. Nach der Ersetzung von Busfahrern, Zug und U-Bahn Führern, dem automatischen Straßenverkehr, dem Pflegehelfer Roboter, der perfekten Partnersimulation durch Androiden werden auch Polizei (Robocop) und Militär automatisiert. Die sind dann nicht von der Stimmung im Volk abhängig und gehorchen skrupellos ihren Herren.

Ob mächtige Wirtschaftskonzerne oder potente Einzelpersonen hinter den offiziellen Machthabern stehen oder diese selbst die Zügel in der Hand halten, oder gar eine KI, ist dabei unerheblich. Die edle Idee der Demokratie, der Freiheit und Gleichheit ist tot. (Vielleicht war sie immer schon eine Täuschung, aber solange das nicht offensichtlich ist, kann man damit leben)

Der Rechtsruck ins völkisch Nationalistische mag eine "normale" dialektische Erscheinungsform (These, Antithese, Synthese) sein. Die Erkenntnis von "Alle Menschen sind gleich", für alle gelten die Menschenrechte gleichermaßen, führte erst einmal, gepaart mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem, zum globalen Handel.
Die z.T. daraus resultierenden globalen Probleme Klimawandel, steigende Meeresspegel, Flüchtlingswellen, (wobei vor allem die auf der Flucht sind, die am wenigsten dafürkönnen), und (Um)Weltzerstörung führen zur dialektischen Antithese des völkisch Nationalen.
Aber der technisch wissenschaftliche "Fortschritt" wird eine Synthese aus globalen Umwelterfordernissen und neu erstarkten Autokraten und alten Autokraten, die gerade noch mal dem Freiheitswillen des Volkes entronnen sind, nicht zulassen, wird keine globale freiheitliche Demokratie sein. Das Fenster für Demokratien schließt sich in wenigen Jahrzehnten.

Die Massen werden zur Manipulationsmasse und die Technik bevorzugt die Manipulatoren. Spannend bleibt die Frage: werden die Manipulatoren Menschen sein? Und was wird aus den anderen Menschen?


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RE: Philosophie

#83 von petias , 14.02.2024 15:28

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 11 ("Fortschritt")

Noch vor 200 Jahren, zu Lebzeiten Goethes und Schillers, konnte man - zumindest auf dem Lande - vom örtlichen Kirchturm aus 97 Prozent der Ressourcen, die das Leben bestimmten, überblicken.
Die Nahrung kam von den Feldern und aus den Gärten, das viel seltener konsumierte Fleisch von Tieren auf den Weiden und etwas Wild aus den Wäldern ab und zu. Aus dem Wald kamen das Bauholz und das Brennholz.
Auf den Feldern wuchs der Lein, aus dem das Leinen gewebt wurde, aus dem Bettwäsche und Kleidung bestand. Für die warme Kleidung hatte man Schafwolle, die viele zuhause spannen, färbten, strickten oder webten. Aus Schafwollstoffen wurden regendichte Sachen gefilzt. Für Schuhe und Gürtel gerbte man Leder.
Nur das Salz, das man in unseren Breiten brauchte, um Lebensmittel haltbar für den Winter zu machen (Milchsäureprodukte wie Sauerkraut, Pökelfleisch) kam aus Bad Reichenhall oder dem österreichischen Salzkammergut. Der Schmied brauchte ab und an etwas Eisen, wenn es nicht genug Altmetall gab für seine Wagenräderreifen, Eggen und Pflüge. Der Hochofen war aber nicht allzu weit entfernt und die Meiler der Köhler, die die Holzkohle dafür lieferten, konnte man vielleicht auch vom Kirchturm aus sehen. Und wer es sich leisten konnte, der erstand auf einem Markt in einer Stadt schon mal ein paar Gewürze aus dem Land, wo der Pfeffer wächst. Nicht, dass man das gebraucht hätte. Es wachsen vielerlei Gewürze in Gärten und Fluren, z.B. den Bärenkümmel (Bärwurz), den Dill, den Majoran (Dost, Oregano), Thymian (Quendel) und wie sie alle heißen!

Wieviel von dem, womit ich bekleidet bin, was ich gegessen habe oder der Dinge, die ich benutze, wären wohl zu sehen, wenn ich heute auf einen Aussichtsturm stiege (Die Kirchtürme sind meist nicht zugänglich)? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass nichts davon aus dem Sichtkreis stammt! Unsere Waren kommen aus China, unser Essen, wenn wir Glück haben, aus Spanien oder mit weniger Glück aus Südamerika oder Asien.

Das Leinen wurde von der Baumwolle verdrängt, die billig von Sklaven, verschleppt aus Afrika, in den Südstaaten der USA angebaut und aufbereitet wurde. Heute ist auch die rar geworden und wenn es noch eine gibt, dann wird sie den Kunstfasern beigemischt. Selbst die "reine" Baumwolle enthält meist noch 2 % Elasthan und macht auch die restlichen 98 Prozent nicht mehr umweltverträglich.
Die Waren werden weltweit produziert und von überallher transportiert und vor die Haustüre geliefert. Die Waren Multis wie Amazon besitzen eigene Containerschiff Flotten und Lieferdienste. Die Belieferung mit Drohnen wird bereits getestet. Meist ist es billiger zurückgeschickte Waren wegzuwerfen, als sie neu an andere Kunden wieder loszuschicken.

In meiner Kindheit gab es schon Radio, große Kästen, wo erst mal die Röhren aufwärmen mussten, bevor sie anfingen Musik zu spielen oder Nachrichten und Geschichten zu erzählen. Später kamen dann die "Transistorradios", die weniger Strom verbrauchten, immer handlicher wurden und robuster. Heute sind viele Tausende von Transistorfunktionen auf einer Platine in integrierten Schaltkreisen verbaut.

1941 baute Konrad Zuse mit seiner Z3 den ersten Computer der Welt. Er erreichte nicht die Leistung von heutigen Taschenrechnern und füllte einen ganzen Raum mit seinen Bauteilen.
1997 verlor Kasparow als erste Schachweltmeister gegen einen Computer im Schach. Gegen den IBM Supercomputer Deep Blue. 2017 gewann das Programm AlphaZero von Google gegen Stockfish 8, den unschlagbaren Schachweltmeister von 2016.

Stockfish 8 konnte pro Sekunde 70 Millionen Stellungen berechnen (AlphaZero nur 80000) und hatte Zugang zu allen gespeicherten Schachzügen der letzten 10 Jahre und in ihm steckte quasi das Schachwissen der Menschheit.
AlphaZero wusste nichts über Schach, nur die Regeln, war aber mit der neusten KI- Software für maschinelles Lernen ausgestattet. Das Programm hatte vier Stunden Zeit, sich im Schach zu üben, indem es gegen sich selbst spielte.
Die Gegner spielten 100 Spiele gegeneinander. 28 gewann AlphaZero, Die restlichen 72 Spiele endeten remi (unentschieden).

Die aktuelle Entwicklung widmet sich den Quantencomputern. Im Unterschied zum klassischen Computer arbeitet er nicht auf der Basis elektrischer, sondern quantenmechanischer Zustände.
Der aktuelle (2022) Quantencomputer von IBM hat 433 Qubits. Die Firma plant ein Gerät mit 100.000 Qubits.
Nach Meinung von IBM wären dafür für eine Simulation durch konventionelle Hochleistungsrechner mehr klassische Bits notwendig, als es Atome in jedem menschlichen Wesen auf dem Planeten gibt.
Das ist unvorstellbar. Ein solches Monster ist dazu gedacht, die KI zu revolutionieren. Geplanter Entwicklungszeitraum: 10 Jahre.
Gerade erleben wir erstaunliche Leistungen von KI-Systemen, die streng genommen noch gar keine sind. ChatGPT ist eher ein überdimensionierte Textvervollständiger wie beim Handy, er berechnet die Wahrscheinlichkeit der nächsten Buchstaben und Wörter auf der Basis der vorhergehenden aus einer gigantischen Textbasis.
Was eine KI auf der Basies eines Quantencomputers zu leisten in der Lage wäre kann sich kein Mensch auch nur in Ansätzen vorstellen.

Als ich geboren wurde, lebten auf der Erde ca. 2,5 Milliarden Menschen. Heute sind es über 8 Milliarden. Mehr als eine Verdreifachung während eines Menschenlebens (bis jetzt)
Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung errechnen Modelle eine Sättigung bei ca. 10 Milliarden Menschen. Die Feststellung ist, je besser (Wohlstand, Sozialstaat) es den Menschen geht, desto weniger viele Kinder bekommen sie. Ob die Modelle wohl mit der anvisierten Familienpolitik der neuen Rechten gerechnet haben?

Aber hinsichtlich der technischen Entwicklung verläuft die Wachstumskurve exponentiell. Ich vermute, auch wenn man unmöglich vorhersehen kann, zu welchen Erkenntnissen und Aktionen die KI kommt, sind die Ressourcen unseres Planeten endgültig erschöpft, dass die Entwicklung auf andere Planeten der Galaxie ausgedehnt wird. Eine Grenze dieser Entwicklung übersteigt den menschlichen Geist.

Roboter ins All entschwinden
so weit, wie die Materie reicht,
zu einem Netzwerk sich verbinden,
dem nichts Dagewesenes gleicht.


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Erst wenn, sei's Teilchen oder Welle,
an jeder kleinsten Kosmos Stelle,
der Geist sich gänzlich breit gemacht,
ist die Evolution vollbracht.

aus Evolution


Ich bin überzeugt, dass die Menschheit, indem sie das Heft des Handelns durch einseitiges Setzen auf technische Entwicklung aus der Hand gibt, auf anderen, weniger materiellen Gebieten ihr Potential bei Weitem noch nicht ausgeschöpft hat. In eigenem Interesse: wir sollten unsere Glaubensätze nach denen wir leben gründlich überdenken!


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RE: Philosophie

#84 von petias , 15.02.2024 18:01

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 12 (Glaubensbekenntnis)

Es wird nicht funktionieren, dass Menschen mit welchimmer Methoden ein "wissenschaftlicher Erkenntnis" standhaltendes optimales und wahrhaftiges Bild einer idealen Erde mit glücklichen Menschen und intakter Natur erarbeitet. Wir müssen uns entscheiden, was wir wollen und was nicht. Wir brauchen ein neues Glaubensbekenntnis. Im Versuch die Glaubenssätze so gut möglich bei sich selbst umzusetzen, stellen wir sie den Mitmenschen zur Diskussion. Ziel ist es, wenn man die Anderen auch nicht komplett vom eigenen Glauben überzeugen kann, man doch genügen Schnittmengen sinnvollen Handelns findet, so dass sich die Welt, in die für richtig erachtete Richtung bewegt.
Kann das nicht gelingen verwirklicht man schon mal im Kleinen so viel davon wie möglich. Gelingt es nicht mit dem eigenen Glauben in die Staatsorgane und internationale Organisationen vorzudringen, so versuchen wir zumindest, diesen Organisationen einen Toleranzbereich abzutrotzen, in dem der eigene Glaube, wenn auch eingeschränkt, Heimat findet.

Gleichheitsgrundsatz
Alle Menschen sind gleich viel wert! Haben die gleichen Rechte und Pflichten.
Menschen sind nicht gleich, aber die Unterschiede dürfen nicht dazu führen, dass sich einige auf Kosten der anderen ausbreiten, bereichern, sich über sie erheben. Einige können mehr für die Gemeinschaft leisten als Andere und sollen dafür angemessen wertgeschätzt und belohnt werden, aber in Grenzen und unter Berücksichtigung des "Ökologischen Imperatives"

In der Konsequenz dieses Glaubenssatzes erhebt sich keine Volksgruppe, Nation oder Ethnie über andere. Lokales Brauchtum und Identitäten können gepflegt werden, dürfen aber nicht zum Ausschluss von Anderen führen. Was passiert, wenn sich Ethnien oder Nationen über andere erheben, zeigt die Geschichte am Beispiel Sklaverei, Judenverfolgung, imperialistische Kriege etc.

Ökologischer Imperativ
Jeder verhalte sich hinsichtlich seines Ressourcenverbrauches und seines ökologischen Fußabdruckes, so, dass, wenn alle Menschen der Erde sich ebenso verhalten würden, die Erde das verkraften und unversehrt auch die folgenden Generationen beherbergen kann.
(in Anlehnung an den „Kategorischen Imperativ“ von Immanuel Kant)

Im Interesse des Ökologischen Imperatives und des Gleichheitsgrundsatzes Ist es erforderlich das Wirtschaftssystem weltweit umzustellen.
Dazu erforderlich:
Abschaffung des Zinses
- Nicht investiertes Geld unterliegt einer Steuer
- Der Grund und Boden geht in den Besitz von lokalen Verwaltungseinheiten (Gemeinden) über
- Löhne werden nicht besteuert
- Dafür werden Waren nach sozialen und ökologischen Kriterien besteuert.
- Gewinne werden besteuert, wenn sie über das Lohnniveau hinausgehen
Diese neue Wirtschaftsform kann teilweise lokal und national in Vorreiterschaft verwirklicht und erprobt werden. Erkenntnisse bei der Umsetzung fließen in die Zielsetzung ein.

Friedenspolitik
Kriege sind in unserer Zeit weder ökologisch noch vom Menschenbild her tragbar. Internationale Gremien sollen derart gestärkt werden, dass - durch Aufstellen einer Weltarmee - Imperialisten und rassistische Unterdrücker es gar nicht erst wagen, ihr Vorhaben umzusetzen.
Gelingt das nicht, und auch in Ergänzung dazu, sollen Bevölkerungen sich im passiven Widerstand ausbilden und üben und dafür sorgen, dass ein Besatzer sich an seiner Beute übernimmt.

Glokalisierung
"Glokalisierung" und "glocal" sind Wortschöpfungen, die der Verbindung von "global" und "lokal" Rechnung tragen.
Die Werte Frieden, Ökologie, Eindämmung des Klimawandels sind nur global umsetzbar. Katastrophen z.B. durch den Klimawandel und andere regionale Unterschiede erfordern überregionales Management und Ausgleich.
Demokratie funktioniert nur gut in überschaubaren Strukturen, also lokal. Global arbeiten wir idealerweise mit repräsentativen Demokratien. Aber selbst eine Technokratie z.B. durch KI- Systeme wäre denkbar, wenn sie als gemeinsamer Nenner der lokalen Gemeinden eingerichtet ist. Das entscheidende Problem dabei ist die Kontrolle.
Im Verhältnis lokal - global herrscht das Prinzip der Subsidiarität. Das heißt, nur was auf lokaler Ebene nicht erreicht werden kann, wird auf globaler Ebene behandelt.

Begrenzung und Kontrolle von Neuerungen
Dieser Punkt wird vermutlich am umstrittensten sein. Er hat überhaupt nur eine Chance, wenn zuvor das Wirtschaftssystem umgestellt ist. Wir müssen weg vom "gemacht wird, was machbar ist" und sollte es zu Problemen kommen, und die Bürger merken das, dann gibt es Einschränkungen, Korrekturen und Entschädigungen auf Kosten der Steuerzahler.
Gelingt eine Neuerung, muss deren Wert - ja schon, an was entwickelt und geforscht wird - öffentlich diskutiert werden. Bei Freigabe werden ein ausgedehnter Test und Modellversuch durchgeführt. Nur wenn es glokal sinnvoll und hilfreich ist, wird das Neue umgesetzt.

Diese teils plakativen Forderungen sind im Einzelnen mit Leben zu erfüllen und in Handlungsanweisungen zu übersetzen. Damit befassen wir uns in weiteren Beiträgen.

Die Werte dürfen gerne diskutiert werden!


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RE: Philosophie

#85 von petias , 27.02.2024 10:32

Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 13 (und nun? Umsetzung in die Praxis!)

Das Durchführen der "Kulturrevolution" bzw. dem Gegensteuern von "falschen" Entwicklungen kann nur jeder selbst im eigenen Umfeld leisten. Man sollte z.B. dem zunehmendem Jargon von Rechts entgegentreten und die eigenen Begriffe und Werte dagegenhalten.

Ich nehme mich selbst an die Nase. Welche weisen Lehren kann ich überzeugend geben, wenn ich sie nicht selbst beherzige?

- umziehen in eine Gegend, in der ich mir ein Haus und ein Stück Land leisten kann möglichst mit Gleichgesinnten. (Habe ich vor 15 Jahren gemacht)

- erlernen und durchführen von Selbstversorgung - zunächst im Bereich Gemüse- und Obstanbau. (ich bin dabei, es ist noch viel zu tun. z. B. Stromautarkie, Lein- Anbau, Anbau von Hirse, Hafer und Pseudogetreiden, Saatgutgewinnung)

- lokale Vernetzung mit anderen Bewohnern der Gegend. Gemeinsame Feste, Unternehmungen, gegenseitige Hilfe ohne Geld auf Tausch- und Vermögens- und Bedarfsbasis. (da geht noch viel mehr)

- lokale politische Betätigung, gründen von und teilnehmen an Arbeitskreisen bis hin zu einer Partei (das ist noch Neuland)

- Die Notwendigkeit einer Wirtschaft ohne Zins und Wachstumszwang bekannt machen und im Kleinen vorleben! Z.B. durch Gründen und Betreiben von Tauschkreisen, lokalem Geld. (Neuland)

- schreiben und publizieren von Geschichten, die eine wünschenswerte Welt beschreiben. Nutzen der Macht der Narrative! (Da ist noch viel zu tun!)

- führen eines Lebens nach dem ökologischen Imperativ (siehe vorherigen Beitrag) soweit das in unserer Gesellschaft möglich ist. (Dafür sind noch Kriterien zu entwickeln. Wichtig ist, dass man es sich selbst und Anderen nicht verbaut durch allzu große Verbalradikalität, Schritte in die richtige Richtung zu gehen, ohne gleich perfekt zu sein.)


Damit endet die aktuelle Reihe im Bereich Philosophie. Die Praktische Umsetzung wird in anderen Themenbereichen des Forums zu behandeln sein, teils in neuer Struktur.

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