Das Ende der (beweisbaren) Wahrheit - die Auferstehung des Glaubens? Teil 7 (Demokratie - Autokratie 1)
Zitat von petias im Beitrag #67
Ein Stück Wahrheit, an das wir glauben, ist unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.
Wir haben gesehen, dass der Kapitalismus, die einzige derzeit praktizierte Wirtschaftsform, nicht von einer demokratischen Grundordnung abhängt. Zur Zeit des kalten Krieges mag das so ausgesehen haben, aber inzwischen hat die Treuhand das DDR- Staatsvermögen in private Hand gegeben und unter Jelzin wurde das UDSSR- Staatsvermögen privatisiert. In kürzester Zeit sind superreiche Oligarchen entstanden. Unter Putin hat sich das fortgesetzt. Putin gilt heute als der reichste Oligarch von allen. In China wird gerade der Baukonzern Evergrande abgewickelt. Er kann die Zinsen für 300 Milliarden Dollar nicht mehr bezahlen. Nach Chapter 15 des US-Insolvenzrechts hat das Unternehmen aber die Möglichkeit, sich vor Klagen amerikanischer Gläubiger zu schützen, während das Unternehmen in China umstrukturiert wird.
Im Demokratieindex von 2021 gilt Norwegen als der am meisten demokratische Staat gefolgt von Neuseeland. Deutschland nimmt Platz 14 ein. Mit Platz 24 ist Süd Korea das letzte Mitglied der "Vollständigen Demokratien". Die USA mit Platz 30 im Ranking ist bereits eine "Unvollständige Demokratie".
Von Bangladesch (73) bis Mauretanien (108) erstreckt sich die Gruppe der "Hybridregime".
Russland (146), Volksrepublik China (156) stecken tief in der Gruppe der "Autoritären Regime", deren Abschluss Afghanistan (167) bildet.
74 Staaten werden als Demokratien gelistet (vollständige und unvollständige), 45,7 % der Weltbevölkerung leben demnach in einer Demokratie und 54,3 % nicht.
Die Tendenz geht in Richtung Autokratie. Die Demokratien haben im Vergleich zu 2020 um 3,7 Prozent abgenommen.
Was ist eigentlich eine Demokratie? Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Volksherrschaft". Das Wort wird als erstes von Herodot um 430 v. Chr. verwendet.
Dabei muss man wissen, dass in einer griechischen Polis das Demos (Volk) nur aus den freien Männer, die als mündige Bürger an der Ekklesia, der Volksversammlung, teilnahmen bestand. Die Frauen, Sklaven und Metöken (Ausländer) gehörten nicht dazu.
Die Gruppe, über die es zu bestimmen galt in so einer griechischen Polis (Stadtstaat) war recht überschaubar ebenso war es die Komplexität der Welt. Die Universalgelehrten wussten noch über alle Wissensgebiete der Welt bescheid. Heutzutage ist es den Gelehrten kaum mehr möglich, auch nur das Wissen ihrer Fachdisziplin vollständig zu überblicken.
Heute gibt es Berufspolitiker, die sich im Rahmen einer repräsentativen Demokratie von ihren Wahlkreisen wählen lassen und sich Vollzeit mit Politik befassen. Es wird viel Steuergeld für Spezialisten ausgegeben, die sie beraten. Ihr politisches Handeln wird hauptsächlich von Lobbyisten (Interessensgruppen, die versuchen die Politik zu beeinflussen), Parteidisziplin und Expertenmeinungen bestimmt.
Zur Demokratie nach heutigem westlichem Verständnis gehören allgemeine, freie und geheime Wahlen, die Aufteilung der Staatsgewalt bei Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung auf voneinander unabhängige Organe (Gewaltenteilung) sowie die Garantie der Grundrechte.
Das Wahlvolk nimmt eine eher passive Haltung ein. Es hört sich im Wahlkampf an, was die Politiker versprechen und suchen sich aus, was ihnen am wichtigsten ist. Dann haben die Gewählten auch zu liefern, sonst werden sie nicht wiedergewählt. Die Wahlen sind alle paar Jahre, beim Zerbrechen der Regierung auch häufiger. Eine langfristige Politik ist damit nur schwer zu machen. In der Hinsicht haben es Autokraten leichter, sie können langfristig planen. Damit, dass der eigenen Sturz dazwischen kommen könnte, wird nicht gerechnet, bzw. man versucht sich dagegen zu wappnen.
Das Wahlvolk neigt dazu, bei schwieriger Lage und schwieriger Politik Führer zu wählen, die schnelle einfache Lösungen versprechen und die charismatisch genug sind, dass viele ihnen die Umsetzung auch zutrauen. Massendynamik und "wir gegen die" Effekte spielen eine große Rolle. Charismatischen Führern folgen die Massen manchmal bis zum Untergang. Die Erkenntnisse aus den Ereignissen der Geschichte verblassen mit dem Aussterben der Zeitzeugen.
Die Ideen der Demokratie, das Menschenbild der Demokratie halte ich für ein hohes Gut. Es lohnt sich, sich dafür einzusetzen, und wir sollten es tun. Aber ich befürchte, dass sie in stürmischen Zeiten nicht wird standhalten können, weil das Menschenbild, das sie hat ein Ideal ist, das leider nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun hat. Um mehrheitlich bewusste Demokraten zu werden, Menschen mit Durchblick und Bewusstsein, braucht es noch viel mehr Bildung, Übung und Reifung. Die Zeit dafür, werden wir nicht haben!
Demgegenüber steht eine weitere Entwicklung, die noch ausführlich zu besprechen sein wird: der rasante "Fortschritt" von Wissenschaft und Technik. Er führt uns in eine Welt, die von noch so gebildeten und geübten Demokraten nicht mehr zu durchschauen sein wird und damit nicht vernünftig von Menschen politisch regiert werden kann.
Überleben könnte vor diesem Hintergrund nur eine nominelle Demokratie, die bestenfalls noch zwischen maschinenbasierten Gesetzen und Entscheidungen wählen kann, die wir nicht beurteilen können. Selbst diese Entscheidung ist vermutlich vorgeplant und die Wahl der "richtigen" wird durch Manipulation bewirkt.
Um die Demokratie und das dahinterstehende Menschenbild zu erhalten, müssten wir uns auferlegen in einer Welt zu leben, die vom Menschen noch beherrschbar ist. Dass das ohne Zusammenbruch der derzeitigen Kultur (durch z.B. einen Atomkrieg mit Milliarden Toten) geschehen könnte, halte ich für völlig unrealistisch. Im Vergleich dazu wäre die Abschaffung des Zins (siehe die voranstehenden Beiträge) ein Kinderspiel!