RE: Neue Weltordnung

#16 von petias , 26.01.2021 15:27

NWO 16: Dirk - Jule, ein keltisches Ritual zur Wintersonnenwende Teil 3

Die dumpfen Schläge der Trommeln hatten sich in den Hintergrund von Dirks Bewusstsein zurückgezogen. Die Flammen des Lagerfeuers züngelten durch seine geschlossenen Augenlieder. Sie tanzten als Feen in einer magischen Welt. Sphärische Klänge begleiteten ihre Bewegungen. Der Nebel - oder war es der Rauch der Flammen - wurde immer dichter und verschluckte die Feen. Dirk sah nur noch grau in grau. Die Klänge aber blieben. Er hatte das Gefühl, ganz langsam in den Nebel hineinzugleiten. Mehr und mehr verdichteten sich die Nebelschleier zu etwas Gegenständlichem. Ein Hirsch hatte sich mit seinem Geweih in einem Gebüsch verfangen und versuchte vergeblich durch Ziehen und Hin- und Herdrehen des Kopfes sich zu befreien.
"Erschrick nicht!"
Dirk trat langsam von der Seite an das Tier heran. "Ich versuche dich zu befreien".
"Aber Vorsicht!", rief der Hirsch, halb erfreut, halb ängstlich. "Was immer du tust, breche nicht mein Geweih ab!"

Dirk näherte sich ganz vorsichtig dem Gebilde aus Haselnussbusch, Brombeerranken und Hirschgeweih. Gerade, als er überlegte sein Multitool aus der Tasche zu ziehen, um die Säge auszuklappen, zogen sich die Brombeerranken von sich aus zurück, den Windungen um Geweih und Ästen folgend. Jetzt musste Dirk nur noch zwei Äste des Haselnussbusches auseinanderbiegen, die die rechte Stange des Geweihes hielten und der Hirsch war frei. Er trat einen vierbeinigen Schritt zurück und senkte den Kopf. Er bedankte sich bei der Haselnuss und der Brombeere und wendete sich dann Dirk zu und schaute ihm direkt in die Augen.

"Wofür bedankst du dich?", fragte Dirk den Hirschen. "Haben dich die Pflanzen nicht festgehalten?"
"Stimmt", sagte der Hirsch. "Ich hatte sie darum gebeten, um dir die Möglichkeit zu geben, mir zu helfen. So sind wir auf eine schöne Weise miteinander in Kontakt gekommen. Jetzt habe ich ein gutes Gefühl, dir deine Fragen zu beantworten. Du hast mir gezeigt, dass du bereit warst, mir zu helfen. Das Eis zwischen uns ist gebrochen!

Dirk wunderte sich kein Bisschen, dass der Hirsch wusste, dass er Fragen hatte. Es hätte ihn eher gewundert, wenn es anders gewesen wäre.

"Ich würde das sehr schätzen, wenn Du einen Rat für mich hättest. Ich stehe liege hänge stecke zwischen zwei Welten fest. In meiner Welt, in der ich gerne gelebt habe und dieser, so erstaunlichen Welt, mit der ich im Leben nicht gerechnet hätte. Ich weiß nicht, wo meine Loyalitäten liegen sollten, was richtig ist und was falsch".

"Das ist gar nicht so schwer!" Ein Leuchten hing zwischen den Geweihstangen des Hirsches. "Du bist ein Mensch! Es leben Menschen diesseits und jenseits der Mauer. Sie sind sich näher als die Mauer das vermuten lässt. Gefährlich für die Menschen auf der einen Seite der Mauer sind nicht die Menschen auf der anderen Seite der Mauer. Die Mauer selbst ist die Gefahr!"

"Das verstehe ich nicht, was meinst du damit?"
"Denke darüber nach! Dann wirst du draufkommen! Sollte es dir tatsächlich nicht gelingen, so besuche mich wieder, du weißt, wo du mich findest."
Der Hirsch drehte sich um und sprang in mächtigen Sätzen davon.
"Danke!", rief Dirk ihm noch nach.

Inzwischen waren die Trommelschläge verstummt. An ihrer Stelle machten Rasseln auf sich aufmerksam. Eine Stimme rief: "Die Rasseln markieren das Ende der Reise. Ihr Reisenden kehrt zurück und lasst uns den magischen Wesen für ihre Güte danken.

Dirk öffnete die Augen. In einer Schale wurden wieder Kräuter verbrannt, als Dank für die Hilfe der beteiligten Geister und Wesen. Dirks Beine schmerzten. Er stand kurz davor, einen Krampf zu bekommen. Eine gute viertel Stunde oder so in dieser ungewohnten Stellung waren mehr als genug. Erleichtert stützte er sich auf die Hände und setzte er sich zur Seite ab. Welch eine Wohltat.
Der erste der Reisenden begann, von seinen Erlebnissen zu erzählen. Dirk stand noch völlig unter dem Eindruck seiner eigenen Reise. Er konnte gar nicht richtig zuhören.
Als er an der Reihe war, beschrieb er, wie der Hirsch sich von den Pflanzen hatte festhalten lassen, so dass er ihm helfen konnte, und dass er das nur tat, um das Eis zwischen ihnen zu brechen.
Einige der Zuhörer fanden das geradezu genial. Einer erzählte, dass er viele Male in die Anderswelt reisen musste, bis er verstanden hatte, dass die Beratertiere, die Heiltiere, sein Krafttier etc. beachtet sein wollten und eine Gegenleistung für ihre Hilfe erwarteten. Das hatte Dirks Hirsch ihm auf eine verblüffend effektive Weise gleich beim ersten Mal beigebracht. Vielleicht drängte die Zeit.
Natürlich wollten die Anwesenden wissen, wie Dirks Reise weiter ging. Aber der bat um Verständnis und Geduld. Er wollte erst mal selbst über die Antworten des Tieres nachdenken.
Da Dirk der letzte Berichterstatter war, wurde die Runde aufgehoben.

Der Kreis um die Stätte des Rituals wurde wieder geöffnet. Alle halfen, den Platz in den Zustand zu versetzen, den er vor Beginn des Rituals hatte.

Essen wurde hereingebracht. Musik ertönte. Gitarren, eine Geige und eine Trompete mischten sich in den Klang der Trommeln. Es wurde getrunken, getanzt, gegessen und gelacht.
Das Fest zur Wintersonnenwende war in vollem Gange.


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 28.05.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#17 von petias , 29.01.2021 17:54

NWO 17: Dirk hat Fragen

Das Fest dauerte - mit Unterbrechungen - zwei Tage. Zwei weitere Tage gingen ins Land, ehe alle Spuren beseitigt waren und das normale Leben wieder aufgenommen wurde. Dirk ließen die Antworten des Anderswelttieres nicht mehr los. Hatte die Antwort eine praktische Bedeutung für ihn? Das Problem war, so der Hirsch, die Mauer, nicht die Menschen auf den beiden Seiten von ihr. Schön und gut, aber was sollte das bedeuten. Dirk konnte wohl kaum die Mauer entfernen, hinter der die volle Macht des Systems steckte.
Im Grunde war er nicht schlauer als vorher. Ihm ging es darum, zu entscheiden, was er den Leuten hier von seinen Aufgaben als Agent offenbaren und ob und was er als solcher dem System berichten sollte.

Dirk schalt sich einen Idioten, dass er den vermutlich geträumten Äußerungen dieses Tieres eine solche Bedeutung beimaß. Er suchte da einen Sinn, wo es vermutlich gar keinen gab.
Die verbrannten Kräuter, die Runen, die Stellungen, das Trommeln, die Zeremonien. Das waren Riten aus einer grauen Vorzeit, die für ihn als (ehemaligen?) Bewohner eines modernen weltumspannenden aufgeklärten Technologiesystems keinerlei Bedeutung hatten. Das war nicht die Realität. Die Realität war die Welt, aus der er kam.

Aber jetzt lebte er in einer anderen Welt. Die war auch real. Nur ihre Riten und Bräuche waren es nicht.

Um mit dem System Kontakt aufnehmen zu können musste er in eine der Plattformen im Niemandsland vor der Mauer gehen. Zum Beispiel zu der, auf der er bei seiner Auswilderung abgesetzt worden war, ca. eine Tagesreise entfernt. Vermutlich fand er ohne Hilfe nicht einmal den Weg dorthin. Außerdem musste er den Leuten irgendetwas sagen, wo er denn hingehen würde. Was machte das für einen Eindruck, wenn er kommentarlos für zwei oder drei Tage verschwand.

Dirk beschloss, mit Gerald und Evi darüber zu reden. Nicht zuletzt deshalb, weil es zu seinen Aufgaben gehörte, neben allgemeiner Berichterstattung, wenn möglich eine Reihe von Namen auf einer Liste ausfindig zu machen. Geralds und Evis standen auch darauf. Aber warum? Lieferte er sie in die Greifer der Roboter des Systems, wenn er den Aufenthaltsort der beiden nannte bzw. bestätigte? Warum wollte das System das wissen?

Dirk stapfte den Weg zum Lichthügel hinauf. Evi war nicht da, aber Gerald hatte ihn eingeladen an einem kleinen Tisch im Anlehn- Gewächshaus, eine Art Wintergarten ans Haus angebaut, mit ihm eine Tasse Tee zu trinken und Gemüsecracker zu essen. Dieses Gewächshaus war der Ort auf dem Lichthügel, der auch im Winter stets angenehm temperiert war.

"Bist du mittlerweile hinter die Bedeutung der Worte des Wesens aus der Andersweltreise gekommen?", fragte Gerald und sah in erwartungsvoll lächelnd an.
"Nicht wirklich, aber das ist es nicht, was ich mit Dir besprechen wollte".
Dirk nahm einen Löffel voll Honig in seinen Kräutertee.
"Ich sollte bald mit dem System Kontakt aufnehmen, für einen ersten Bericht. Dazu muss ich auf Plattform 17, auf der ich angekommen bin. Das ist doch die nächstgelegenen nicht?"
Gerald nickte.
Dirk rutschte auf dem Stuhl hin und her.
"Ich soll denen neben allgemeinen Berichten den Standort von einigen Personen nennen. Auf der Liste stehen auch Evi und Du. Jetzt frage ich mich natürlich, warum und ob euch das in Gefahr bringen könnte."
"Wer steht denn noch auf der Liste?", wollte Gerald wissen.
"Ich habe sie nicht hier, aber da stehen noch Namen drauf wie Mirko irgendwas, Michael und Klaus Schuller, Ada - und noch ein paar".

Gerald pfiff durch die Zähne.
"Sag mal Dirk, heißt dein Agentenführer zufällig George Liu?"
"Ja", antwortete Gerald verblüfft. "Wie kommst du drauf?"
"George ist mein Sohn. Der chinesische Familienname kommt von seiner Mutter Sina. Die Anderen Namen sind alles Freunde von uns aus der Zeit vor dem Mauerbau. Der hat dich hier hingeschickt, weil er sich fragt, ob es uns noch gibt. Wie schön! Sag, bist du einverstanden, wenn ich dich zur Plattform begleite?"

"Klar, komm mit, dann finde ich wenigstens hin und es ist weniger langweilig und gefährlich!
Das ist ja ein Ding! Jetzt gibt auch die Antwort des Hirsches einen Sinn. Das Problem stellen nicht die Menschen dar, sondern die Mauer. Ich muss mich gar nicht für oder gegen jemanden entscheiden. Das ist eine Familienzusammenführung über die Mauer hinweg!"

Kurz darauf stieß Evi dazu. Sie plauderten eine Weile über die Namen auf der Liste und über George. Die Reise zu "Plattform 17 - Mitteldeutschland" wurde auf den übernächsten Tag festgesetzt.


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 28.05.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#18 von petias , 02.02.2021 11:19

NWO 18: Eine Reise zu Plattform 17 Teil 1

Kurz nach Tagesbeginn so gegen 8 Uhr trafen Evi und Gerald, ausgestattet mit Rucksack und Wanderstab, in Ziepoli ein. Dirk war schon fast fertig. Er füllte gerade noch seine High Tech Wasserflasche auf, ein Relikt aus seiner Zeit als Bürger des Systems. Und schon konnte die Reise beginnen.
Gleich nach dem Verlassen von Ziepoli wurde die Lichte überquert und der Weg führte in den Wald in Richtung Wallendorf. Es war für die Jahreszeit, Ende Dezember, eher mild. Von Schnee war noch nichts zu sehen.

Lang hielt Dirk es nicht aus und aus seinem Mund flossen endlich die Gedanken, die sich in seinem Kopf seit dem Fest zur Wintersonnenwende aufgeregt sprudelnd, da nicht mehr länger halten wollten:
"Sagt mal ihr Beiden, ich habe euch als vernünftige und kultivierte Menschen kennen gelernt. Seit meinem Aufenthalt hier, haben sich so gut wie keine der Vorurteile erfüllt, die man sich bei uns von den WILDEN in den Reservaten macht. Also, wie soll ich sagen, das mit dieser Anderswelt-Reise hat doch nichts mit der Realität zu tun oder? Ein religiöser Ritus, aus längst vergangener Zeit, nicht wahr?

Alle schwiegen ein paar Schritte lang. Schließlich antwortet Gerald mit einer Gegenfrage: "Was ist denn "Realität", woran erkennt man sie? Was unterscheidet sie vom Nicht-Realen?"
Da keine Antwort kam, sprach Gerald weiter:
"Diese Frage beschäftigt Philosophen seit Tausenden von Jahren, ohne dass es gelungen wäre, eine endgültige Antwort darauf zu geben. Aber es kristallisierten sich einige Kriterien heraus, die uns helfen zu beurteilen, ob etwas real ist, ohne gleich in die Tiefen der Erkenntnistheorie hinabtauchen zu müssen.
Es wäre zunächst einmal nötig, dass wir uns mit anderen darüber einig sind, dass etwas real ist. Das ist natürlich kein Beweis. Wenn ich etwas für real halte, und alle anderen nicht, dann könnten sich die Anderen alle irren oder mich belügen. Aber es ist ein starker Hinweis."

"Lass uns das an einem Beispiel zeigen", nahm Evi den Faden auf. "Sagen wir, ich kenne eine schöne Schutzhütte an einem idyllischen See. Wenn andere den Platz auch kennen und wir mit ihnen darüber reden können, dann kann ich mir recht sicher sein, dass es den Platz nicht nur in meinen Träumen gibt."

"Genau!", stimmt Gerald Evi zu. "Und ein weiteres Kriterium für Realität ist die Konstanz des Ereignisses. Wann immer ich an den Platz komme, egal ob alleine oder mit anderen, ist er da. Wäre er mal da, mal nicht, wäre das hinsichtlich seiner realen Existenz sehr verdächtig.

"Und das trifft auch auf die Anderswelt-Reise zu?"
Dirk war skeptisch. "Es mag ja sein, dass es andere Anderswelt-Reisende gibt, die die Existenz der Anderswelt bestätigen, aber doch nur Wenige."

Evi war da anderer Meinung: "so Wenige sind das nicht. In den letzten 30 000 Jahren haben unzählige Menschen auf der ganzen Welt die Anderswelt erlebt. Den Schamanismus gab es in allen Kulturen mit lokalen Abwandlungen, an Gegend und Leute angepasst. So wirken bei uns auch die Besonderheiten besser, die bei uns üblich waren, wie die Verwendung von bestimmten Kräutern und Pilzen aber auch Runen und Stellungen, als z.B. die der nordamerikanischen Indianer zu übernehmen. Aber den Schamanismus gab und gibt es weltweit."

"Ja, bis zur Aufklärung", warf Dirk ein. "Aber das was ihr macht, ist eher als Rückgriff auf vergangene Zeiten zu betrachten, als die Wiederentdeckung einer verschütteten Welt."

"Der Schamanismus wurde nicht von der Aufklärung zurückgedrängt, sondern lange vorher durch die aufkeimenden hierarchischen Religionen", erwiderte Gerald. "Die Religionen rissen die Nicht - Materielle - Welt und die Rolle der Vermittlung zwischen Menschen und Göttern an sich. Machten die Spiritualität zur Glaubenssache im Interesse von Herrschaftsstrukturen. Im Schamanismus ist die Anderswelt von jedem Interessierten zu erleben und nachzuvollziehen. Die Begegnung mit den Göttern funktioniert ohne klerikale Vorschriften und Anweisungen. Es bedarf keiner Führer. Der Schamane ist nur ein Helfer, ein Experte in Sachen Riten.
Aber lass mich zu Deinem Einwand zurückkommen, Dirk, die Existenz der Anderswelt würde nur von Wenigen bestätigt. Das ist in der Realität der Aufklärung und Wissenschaft ganz genau so. Die großen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die unsere materielle Welt prägen, die stammen und werden bestätigt nur von einer handvoll Spezialisten, ein paar Hundert höchsten weltweit. Als Michael, ein Freund von mir - er wäre jetzt 116 Jahre alt, sollte er noch leben - noch in die Schule ging, da las man in den Schulbüchern von nur drei Elementarteilchen. Das Positron, das Elektron und das Neutron. Beim letzten Stand vor der Wende, an den ich mich erinnere, waren die nicht weiter elementar also unteilbar. Statt dessen gab es Quarks, Leptonen, Neutrinos und Bosonen und was weiß ich noch alles. Wer kennt sich da aus. Wer kann die Aussagen der paar Wissenschaftler überprüfen. Ergebnisse moderner aufgeklärter Wissenschaft sind heutzutage weit mehr Glaubensfragen als jede spirituelle Erfahrung, die man sehr wohl selbst machen kann."

Dirk schien wenig überzeugt: "Aber diese wissenschaftlichen Erkenntnisse führten z.B. zu Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, oder zur Quantenmechanik, der wir die gesamte Mikroelektronik und vieles mehr verdanken, ist das nicht Beweis genug?"

"Von der die Computerknechte uns ausgeschlossen haben!", warf Evi ein. "Interessant, dass du die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik erwähnst. Die widersprechen sich nämlich. Beide können nicht richtig sein. Da aber die eine oder die andere nicht ausreicht, die materielle Welt zu erklären, sind zwangsläufig beide falsch. Hat deine Welt mit all der superintelligenten Unterstützung immer noch keine vereinigte Theorie entwickelt. Eine Quantenmechanik der Gravitation, wie sie damals genannt wurde?"

"Keine Ahnung!", Dirk zog die Schultern hoch, um mit dieser Geste sein Nichtwissen zu unterstreichen. "Was die Wissenschaft so treibt, wird den BÜRGERN nicht gerade aufgedrängt. Es gibt populärwissenschaftliche Podcasts und Multimediashows, aber ich habe mich kaum dafür interessiert."

"Genau das ist der Punkt!", meldete Gerald sich wieder zu Wort. "Es gibt viele Theorien und Erklärungsmodelle der Welt. Keines davon kann die Wirklichkeit, die REALITÄT", beim letzten Wort sah er Dirk bewusst in die Augen, "umfassend beschreiben. Jedes dieser Modelle hat seine Regeln, Schlussfolgerungen und Erfahrungen und beschreibt einen Teil, einen Aspekt dessen, was wir wahrnehmen. Wer ein Modell mit den Regeln eines anderen Modelles betrachtet, begeht einen kategorialen Irrtum, wie es Ken Wilber nannte.
Es gibt kein Gesetz der Physik, das es ausschließen würde, dass es außerhalb des Systems 'Physik' nicht noch was anderes geben könnte. Aber dieser Bereich kann mit den Gesetzen der Physik nicht bewertet werden. Das ändert nichts daran, dass er real ist!"

Dirk wollte etwas erwidern, aber Evi war schneller: " Schaut, wie schön. Da machen wir Rast und genießen die Aussicht!"


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 12.04.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#19 von petias , 13.04.2021 11:36

NWO 19: Eine Reise zu Plattform 17 Teil 2

Der Wanderweg traf auf eine Lichtung, die den Blick auf das Tal und den gegenüberliegenden Mittelgebirgskamm freigab. Eine kleine Felsengruppe mit einer umgestürzten Birke davor lud dazu ein, sich niederzulassen. Bereitwillig nahmen Dirk und Gerald ihre Rucksäcke ab und suchten sich einen freien Platz neben Evi, die sich auf der Birke niedergelassen hatte. Dirk setzte sich auf einen der Felsbrocken. Trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit fühlte er sich warm an. Die Vormittagssonne hatte ihn angewärmt. Gerald hatte einen Platz auf der Birke direkt neben Evi gefunden. Er kramte seine Rinderblase aus dem Rucksack, die ihm als Feldflasche diente.
"Alter Gänsewein in neuen Schläuchen", bemerkte er schelmisch als er den Holzpfropfen aus der Blase zog und sie an die Lippen setzte.
Evi packte ein paar Karotten aus und legte sie auf einen weiteren Felsen, der sich als Tisch eignete. Dann zog sie sich eben mal in den Wald zurück, um ihre Blase zu erleichtern. Gerald hatte einen Kohlrabi aus seinem Rucksack geholt und schälte ihn mit seinem Messer.

Der Feldmäuserich war 11 cm lang und wog ca. 40 Gramm. Er hatte ein bräunliches Fell und einen kurzen Schwanz. Große schwarze Augen saßen zwischen Nasenspitze und Ohren. Aber viel sehen konnte er damit nicht. Ein großes Tier verdunkelte kurzzeitig das Sonnenlicht, als es vorbeiging. Aber lange vorher hatte er es gerochen. Der Mäuserich hatte gerade noch in seinem Erdbau geschlummert. Aber der verlockende Duft eines noch sehr jungen Weibchens war unwiderstehlich beim Aufwachen in seine Nase gedrungen. Das Mäusemädchen lebte im Nachbarbau, den sich zwei Mütter mit ihrem 25 köpfigem Nachwuchs für die drei Wochen teilten, die es dauerte ihren Wurf großzuziehen.
Der Mäuserich wollte die zwei Stunden nutzen, die er fit war, bevor er wieder ein Schläfchen brauchte. Er hatte seine selbst gegrabenen Erdhöhle in 40 cm Tiefe verlassen und war in den Gang gekrabbelt, ausgetreten durch häufiges Benutzen, ganz am Boden gelegen, durch Grass gut getarnt, um versteckt zur Kinderstube zu laufen, wo diese süße, 13 Tage alte Jungmaus, noch immer an einer der erwachsenen Mäuse säugend, ihren verlockenden Duft verströmte.
Doch plötzlich - Gefahr! Mehrere Fremde, höchstwahrscheinlich Feinde waren wie aus dem Nichts über seine kleine Welt hereingebrochen. Vor ihm, hinter ihm, überall. Er duckte sich so tief in den Gang wie möglich, abgeschirmt durch Löwenzahn und Breitwegerich.


Dirk nahm das Gespräch von vorhin wieder auf: "Du sagst also, es gäbe je nach Betrachtung verschiedene 'Realitäten', aber keine trifft die Wirklichkeit ganz?"
"Genau!", Was wir wahrnehmen und wie wir es interpretieren ist ein Lernprozess und wird stark beeinflusst, von dem, was die Leute um uns herum denken und welche Sprache wir benutzen."
"Sprache?"
"Na, wie Physik zum Beispiel. Die Fachsprachen - alle Sprachen - beschreiben einen Teil der Wirklichkeit, so, wie man sie innerhalb ihres Jargons wahrnimmt."
Evi war wieder zurückgekommen: "Was an Reizen und Informationen alles auf uns einprasselt, sehen, hören, schmecken, riechen, spüren, fühlen ist so viel, dass wir Muster brauchen um irgendwas zu erkennen, das uns sinnvoll erscheint"...
"Einen Filter", warf Gerald ein. Evi fuhr fort:
"Wenn zwei Leute denselben Ausschnitt der 'Wirklichkeit' betrachten, so kann es sein, dass sie was völlig anderes sehen. Du kennst Doch sicher die Bilder, in denen man z.B. eine alte Frau oder eine junge sehen kann. Je nachdem, mit welcher Mustererkennung man daran geht."

Gerald brachte ein Beispiel: " Wenn ein Blinder, von Geburt an blind, plötzlich wieder sehen kann, durch Spontanheilung oder medizinische Behandlung, egal warum, dann sieht er nicht dasselbe, was die Leute sehen, die nicht blind waren. Er läuft z.B. gegen einen Baum, weil er ihn gar nicht erkennt. Er hat das Muster eines Baumes nicht im Kopf, so dass er ihn in dem Farben- und Formenspektakel, das auf ihn eindringt, gar nicht als Baum, an dem man sich stoßen könnte, erkennen kann."
"Aber das lernt er dann schnell", war Dirk sich sicher.
"Ja klar", stimmte Evi ihm zu. "Wenn er bereit dazu ist, dann lernt er schnell."
"Du meinst also, wenn man die Gesetze der Anderswelt annimmt und erlernt, dann ist die Anderswelt genau so real, wie die Welt, wie ich sie kenne?"
Evi nickte und Dirk fuhr fort: "Aber es gibt unzweifelhaft verschieden gute 'Fachsprachen' und Modelle. Vielleicht sind manche einfach falsch!"
"Ja", stimmte Gerald zu. Es ist ein Kommen und Gehen an Modellen und sie werden häufig geändert und erweitert. Ihr Wert liegt letztendlich in dem Nutzen, den sie für ihre Benutzer haben. Außerdem verwenden wir viele solcher Modelle gleichzeitig bzw. nacheinander. Eines wird der 'Wirklichkeit' nicht gerecht. Aber dessen sollte man sich bewusst sein und lieber von seinem hohen Ross steigen, wenn es um die Beurteilung anderer Modelle geht."
"Lasst uns weiter gehen", schlug Evi vor. "Ich würde gerne in der Empfangshütte ankommen, bevor es Nacht wird. Nach Einbruch der Dunkelheit wird es schon recht kalt, immerhin haben wir Dezember!"

Das Monster hatte den Weg zu seinem Bau wieder freigegeben. Sein Verbindungsgang war nur leicht beschädigt. Gut, denn den Gang verlassen bedeutet Gefahr! Das Gefühl der Gefahr war diffus, ein Gefühl eben.
Einen neuen Gang zu bauen ist langwierig. Und auch nicht ungefährlich. Am besten, man fetzt mal eben gut geschützt von oben, durch den Verbindungsgang.
Er hätte jetzt umkehren können und zurück zu seinem Bau laufen. Da lag auch noch der abgebissene Samenstand des Wegerich, den er neulich in den Bau geholt und noch nicht aufgegessen hatte. Aber wer wollte jetzt ans Essen denken, wenn der Geruch des Mäusemädchens seine Sinne so betörend berauschte. Die Monster sollten verschwinden. Er musste zu ihr, bevor er wieder Schlaf brauchte. Die Wachperiode war kurz. Mutig verließ er den Gang und baute sich in seiner vollen Länge von 11 cm auf. "Verschwindet ihr Monster", dachte der Mäuserich.


Die beiden Männer stimmten zu. Die Rucksäcke waren schnell gepackt und geschultert. Um die Kohlrabischalen würden sich die Tiere kümmern. Gestärkt und ausgeruht verließen alle drei die Lichtung.


Der Mäuserich konnte seinen Erfolg kaum fassen. Es gab gar keinen Grund, so vorsichtig zu sein. Wenn seine imposante Erscheinung gleich drei riesige, übelriechende Monster in die Flucht schlagen konnte. Das kleine Mäusemädchen hätte sich keinen besseren als ihn wünschen können, also los!
Unser Held war tot, ehe er überhaupt bemerkte, dass sich ein Milan seiner bemächtigt hatte. Mutige Mäuse bekamen keine Gelegenheit, ihre Gene zu verstreuen. Was das Überleben der Feldmäuse sicherte, war Vorsicht und schnelle Fortpflanzung. Eine mittlere Lebenserwartung von 3 Monaten bei einer maximalen biologischen Lebensspanne von 2 Jahren reichte dafür aus. Es gelten andere Gesetze, wenn man nicht an der Spitze der Nahrungskette steht, sondern die Hauptnahrungsquelle unzähliger Tierarten ist!


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 26.05.2023 | Top

RE: Neue Weltordnung

#20 von petias , 16.04.2021 15:18

NWO 20: Tobias Rosenkreuzer

Tobias Rosenkreuzer, geb. 1972, glaubte nicht wirklich, dass sein Familienname auf jenen legendären Christian Rosencreutz zurückgehen würde, der angeblich 1378 geboren worden war. Auf den legendären Gründer der Bruderschaft des Rosenkreutzes, wie einige Verwalter des Familienstammbaums behaupteten. Was ihm aber daran gefallen würde ist, dass dieser berühmte Vorfahr im Alter von 106 Jahren gestorben ist. Ein stolzes Alter für diese Zeit.

Mit sehr viel größere Validität ließ sich die Familienherkunft auf die Judengasse, dem Ghetto einer europäischen Großstadt, zurückverfolgen, von dort aus gründete seine Familie eine Kette von Bankhäusern, die sich über ganz Europa erstreckte und Könige und Länderregierungen über Staatsanleihen mit Geld versorgte, sei es für Kriege oder Prestigebauten.

Er selbst jedoch war in New York geboren, in den USA. Dort war es auch, wo er Laurence Douglas Fink, genannt "Larry" traf, der eine imposante Firma gegründet hatte, Black Rock, die zu der damaligen Zeit, in den 2020igern, der weltweit größte Vermögensverwalter war, beteiligt an allen namhaften Unternehmen der Welt.

Die Spezialität des Hauses Black Rock war ein Computersystem mit der hauseigenen Risikomanagement-Software "Aladdin" (Asset Liability and Debt and Derivative Investment), mit dem für alle Geldhäuser in Nöten, auch für die Europäische Zentralbank und deren amerikanisches Pendant Fed, Stresstests und Analysen durchgeführt wurden, die die internationale Finanzpolitik entscheidend prägte.

Inspiriert und gefördert durch Larry Fink, wie er jüdischer Abstammung, gründete Tobias Rosenkreuzer ein weltweit umspannendes Netz an Rechenzentren, die eine schier unfassbare Menge an digitalen Daten speicherte und verarbeitete.

Der Leiter einer seiner größten Rechenzentren, dem ALIBABA in Georgia im Bundesstaat Atlanta in den USA, war ab dem Jahre 2033 Elias. Nur Wenige wussten, dass Elias sein Nachname war. Mit Vornamen hieß er Laurenz, ein Name, der ihm nie gefallen hatte. Immer schon war er einfach Elias, für die einen fühlte es sich wie der Vorname an, für die anderen war es der Familienname.

Rosenkreuzer gefiel die charismatische Ausstrahlung des Elias von Anfang an. Er war immer voller Pläne, Ideen und Visionen. Vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass Elija einer der größten Propheten des Judentums war, jedenfalls hat er nie an der Wahrheit und der Durchführbarkeit der Phantasien von Freund Elias, gezweifelt, der aus einer Familiendynastie rumänischer Juden stammte.

Die Gründung des Komitees und der NWO geschahen vor allem auf Elias' Betreiben. Die digitale Speicherung des Gehirns war ein Geniestreich! Dank Elias war er, Tobias Rosenkreuzer einer der mächtigsten Menschen der Erde und Teil von etwas wirklich Großem.


Elias bat um einen Videokontakt. Tobias veranlasste sofort die nötigen Schaltungen. Er präsentierte sich seinen Besuchern mittels eines Hologramms. Ein etwas geschöntes, bewegtes, dreidimensionales Bild von sich aus der Zeit, als er noch einen Körper aus Fleisch und Blut hatte, und bei guter Gesundheit war.

Es war nicht selbstverständlich, dass Tobias sofort Zeit für Elias aufbringen konnte. Anders, als man erwarten würde, war der Umstand, nicht immer Zeit für ihn zu haben, ein großer Vorzug, den er damit seinem Freund vor vielen anderen Besuchern einräumte. Konnte er doch, dank seiner digitalen Daseinsform fast beliebig viele Gäste gleichzeitig empfangen. Aber diese Arten von Kontakt waren eher unverbindlich, oberflächlich. Freund Tobias genoss den Vorzug, dass er ihm mit ganzer Aufmerksamkeit gegenübertrat und nicht in einem Multitasking- Modus als Parallelprozess. Aber heute empfing er ihn sofort.

"Elias, schön von dir persönlich zu hören, was verschafft mir das Vergnügen?"
"Danke, Tobias, dass du gleich Zeit für mich hast. Ich möchte Dich etwas persönliches fragen."
Das Hologramm schien verwundert zu sein, es sah ihn erwartungsvoll an: "Ich bin gespannt, nur zu!"
"Sag mal Tobias, kannst du eigentlich meditieren?"
Das Hologramm wirkte belustigt: "Klar, Meditieren heißt doch Gedanken ausschalten, an nichts denken. Das kann ich perfekt. Ich kann die Denkprozesse einfach für eine Weile abschalten!"
"Das meine ich nicht", Elias sah unglücklich aus. Tobias empfing die Bilddaten von Elias direkt digital, nicht über den Umweg eines realen Bildes.
"Was ich sagen will, kannst du dich mit dem Kosmos verbinden, mit dem Nichts? Oder anders ausgedrückt, kannst du spirituelle Erfahrungen machen?"
Tobias' virtuelles Ebenbild wurde wieder ernst. "Das habe ich mich auch schon gefragt. Ich denke nicht. Ich kann über spirituelle Dinge, über Gott oder Religion nachdenken, Berechnungen anstellen, Daten abrufen, Analysen lesen oder durchführen, aber spirituelle Erfahrungen, was immer das auch sein mag, mache ich nicht. Das war aber vorher auch nicht viel anders. Ich war nie ein religiöser Mensch. - Wie kommst Du drauf?"
Elias rang nach Worten.
"Tobias, es liegt mir fern, dich zu verletzen...
"Raus damit!", das Hologramm lächelte Elias an und unterstrich seine Aufforderung mit einer bekräftigenden Handbewegung.
Elias hob sein Herz auf die Zunge:
"Ich denke öfter darüber nach, ob wirklich alles, was einen Menschen ausmacht in die digitale Welt übertragen werden kann. Geht da nicht zwangsläufig was verloren. Seid ihr digitalisierten menschlichen Gehirne genauso Menschen wie die, die noch in ihrem Körper existieren?
Ich meine nicht, Tobias, dass ich Gespräche mit dir nicht genießen könnte. Ich betrachte dich noch immer als ganzen Menschen und als meinen Freund. Aber was mich umtreibt:
MUDUNIA glaubt die Menschheit zu kennen, dabei kennt sie wirklich gut doch nur euch digitalisierten Menschen. Wenn sie bzw. das Komitee denkt, dass die Potentiale der Menschheit ausgeschöpft sind und die Menschen in der Evolution zurücktreten müssen, hinter eine nicht menschliche Superintelligenz, wissen die wirklich wovon sie reden?
Kann eine technisch, rationale Superintelligenz, geschaffen vom Erfindergeist des Homo Sapiens die Potentiale des ganzen Menschen wirklich beurteilen?"
"Ah, daher weht der Wind!", das Hologramm setzte sich in einen riesigen Sessel und blies imaginäre Rauchwolken in die Luft. "So leid mir das für die Menschen tut, ich war schließlich selbst mal einer, ich fürchte, was da noch ist, über das Gehirn hinaus, das ist nur biologischer Kram, vor allem Fortpflanzung und noch ein paar unnötige und zeitverschwenderische Eigenheiten wie Essen und Ausscheiden, Schlafen und Regenerieren, Krankheit und Genesen und schließlich der Tod! - Wozu soll das nutze sein. Zeit- und Ressourcenverschwendung, wenn man es ernsthaft betrachtet.
Aber keine Angst: du, Elias, du bist einer von uns und kannst jederzeit deinen Körper hinter dir lassen."

Elias war nicht überzeugt.
Nach einer Pause wandte er sich wieder an Tobias:" Mein Freund, wenn es mir gelänge Menschen mit erstaunlichen Fähigkeiten zu finden, Fähigkeiten und Eigenschaften, die dem Komitee bisher noch nicht bekannt sind. Würdest du mich unterstützen, dies gründlich mit in das Urteil des Komitees und MUNDANIAs einfließen zu lassen?"

"Jetzt, Elias, machst du mich aber neugierig!", der transparente Tobias war wieder aufgesprungen und die Rauchwolken verzogen sich. "Du bist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Wann wirst du uns deine sensationellen Funde vorstellen?"

"Geduld, mein Freund! Noch ist es gerade mal eine vage Idee. Vermutlich mehr Hoffnung als Idee!"


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 01.06.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#21 von petias , 22.04.2021 08:31

NWO 21: Der Chronist 3

Der Anteil der ARBEITER stabilisierte sich bei ca. 15 Prozent der Bevölkerung. Die restlichen 85 Prozent leisteten keinen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren des Systems. Im Gegenteil: sie verschlangen einen Gutteil der gewonnenen und erarbeiteten Ressourcen, denn sie wollten versorgt, beschäftigt und überwacht sein.
Zwar stieg immer wieder ein vielversprechender Kandidat in die Klasse der ARBEITER auf, und ab und an stürzte von dort einer zurück in das Auffangbecken des BÜRGERtums, aber davon abgesehen hatte die Mehrheit der Systemists eine Rolle, vergleichbar mit komfortabel gehaltenen Haustieren.
Hatten die Massen in Vorwendezeiten zumindest eine Bedeutung als Arbeitskräfte und Konsumenten, als Soldaten oder Stimmbürger, so war das, 25 Jahre nach der Wende, nicht mehr der Fall.

Immerhin waren sie Menschen. Angehörige der Art "Homo Sapiens" aus der Gattung der "Homo" aus der Familie der "Menschenaffen" aus der Ordnung der Primaten, die sich für einige 1000 Jahre an die Spitze der Evolution gehalten hatte, und aus der sich nun etwas völlig Neues entwickelte: Der Sprung von der biologischen zur nicht biologischen Intelligenz. Einer Intelligenz, die das Potential hatte, die ganze Materie zu durchdringen. Die sich über den gesamten Kosmos ausbreiten könnte. MUNDUNIA war der Meinung, dass das die Voraussetzung war für einen nächsten Entwicklungsschritt, vielleicht in das Nichtmaterielle hinein.

Zwar hatte es Versuche gegeben, Menschen, samt ihres aufwendigen biologischen Erhaltungssystems in die Erdumlaufbahn, auf den Mond und zu den nächstgelegenen Planeten reisen zu lassen, aber darin hatte keine Zukunft gelegen. Intelligente Maschinen waren dazu sehr viel besser geeignet. Im Vergleich zu den Möglichkeiten intelligenter Technik wirkten die Versuche einer humanoiden Raumfahrt geradezu lächerlich.

Noch war sich das Komitee nicht einig, wie mit der Menschheit verfahren werden sollte. Die möglichen Ideen umfassten einen Aufstieg geeigneter Menschen in eine erweiterte Form menschlicher Existenz, einer Art kollektivem Bewusstsein gebildet aus den digital gespeicherten Gehirnen einer Vielzahl von Menschen. Andere Meinungen hielten das für wenig hilfreich. Man sollte den Menschen auf Teilen der Erde eine Art Gnadenhof einrichten, bzw. eine Art Menschenpark, in dem sie ein "menschliches" Leben führen könnten. Aber die Sicherungssysteme dieses Geheges müssten dafür sorgen, dass diese experimentierfreudige Art, die gerne auch mit noch Schlimmeren als dem Feuer spielt, keinen Schaden anrichten kann. Auch weniger fürsorgliche Lösungen des Problems "Mensch" waberten gelegentlich in den Tiefen des Komitees.

Als mit der Wende dieses höchste Menschheitsgremium gegründet worden war, hatten Elias und andere Vordenker sich einige Gedanken gemacht. Es bestand die Gefahr, dass die "Künstliche Intelligenz" sich gegen die Menschen entscheiden würde, bzw. damit aufhören würde, im Interesse der Menschen zu handeln. Es war deshalb nur möglich, Entscheidungen die Menschheit betreffend, einstimmig im Komitee zu fällen. Jedes Mitglied musste demnach von Sinn und Notwendigkeit solcher Entscheidungen überzeugt werden.

Auffällig war, dass, je länger ein Komitee- Mitglied bereits seinen Körper aufgegeben hatte und in digitaler Form existierte, die Bindungen an sein ursprüngliches Menschsein verlor. Was radikalere Schritte bezüglich des Schicksals des "Homo Sapiens" bislang verhinderte, war vor allem das Veto der noch "echten" Menschen.
Darin war vermutlich der Grund zu suchen, warum seit fast 20 Jahren kein neues Mitglied in das Komitee aufgenommen worden war. Auch das hätte Einstimmigkeit erfordert.
So wie es im Jahre 25 NWO aussah, musste nur die natürliche Lebensspanne der verbleibenden 19 noch nicht digitalisierten Mitglieder abgewartet werden. Waren sie tot, oder digitalisiert, dauerte es erfahrungsgemäß nicht lange, bis sich die sentimentale Bindung an die ehemalige Arts- Zugehörigkeit zu lösen begann.
Die Uhr tickte...


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 01.06.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#22 von petias , 30.04.2021 10:45

NWO 22: Plattform 17

Evi, Gerald und Dirk trafen gerade noch rechtzeitig in der Empfangshütte ein, die Dirk schon von seiner Ankunft her kannte, um sich mit dem letzten Tageslicht einzurichten. Sie hatten in ihren Rucksäcken einige Vorräte mitgebracht. Schließlich konnte man nicht wissen, wann einem auf der Plattform Audienz gewährt wurde.
Gerald schürte das Feuer im Ofen an, einer alten Küchenhexe, mit der man nicht nur heizen sondern auf der man auch kochen konnte. In einem in den Ofen eingelassenen Wassergefäß stand zudem bei Bedarf warmes Wasser zur Verfügung. Die Nächte wurden jetzt schon empfindlich kalt und die drei Reisenden waren froh um die behagliche Unterkunft.
Nach einem reichlichen Abendessen in wohliger Wärme verzogen sie sich nach oben in die Betten. Als Beleuchtung dienten einige Kienspäne, eine Art kleiner Fackel aus verharztem Holz.
Gegen Morgen wurden sie von einem lauten Geräusch geweckt. Dirk konnte sich keinen Reim draus machen, Evi und Gerald erkannten es sofort. Ein Lastwagenmotor! Das dazugehörige Fahrzeug blieb nahe der Hütte stehen, der Motor tuckerte im Leerlauf weiter. Leute stiegen aus. Die drei schälten sich rasch aus den Decken zogen sich an.
"Hallo", rief eine kräftige dunkle Männerstimme. Die Ankömmlinge hatte ihre Rucksäcke gesehen und wussten, dass jemand da sein musste.
"König Etzel persönlich, welche Ehre!"
Gerald stieg als erster die Treppe hinunter.
"Der Prinz von Ziepoli!"
König Etzel breitete die Arme in einer Willkommensgeste aus. Die drei Begleiter des Königs entspannten sich und ließen ihre Waffen sinken.
Gerald nickte ihnen zu.
"Wo ich dich sehe, fällt mir ein, dass wir den Winter- Tribut noch nicht von euch eingezogen haben!"
"Die Vorräte liegen bereit für Dich, Attila. Ihr braucht sie nur zu holen".
Evi und Dirk waren ebenfalls die Treppe herunter gekommen. Attila begrüßte Evi mit einer Umarmung.
"Geht's gut, Hunnenkönig?", fragte Evi. "Wir haben deine Truppen schon seit dem Sonnwendfest erwartet."

"Und wer ist der?"
Der König zeigte mit einer Kopfbewegung auf Dirk.

"Ein Agent des Systems!", antwortete Gerald. "Aber ein sehr netter!"
"Dirk", stellte der 'Agent' sich vor und reichte dem König schüchtern die Hand. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass dieser Attila oder Etzel tatsächlich eine Art von König war. Trotz des vertrauten Umgangstons lag Respekt und Vorsicht im Verhalten seiner Reisegefährten. Die zwei Männer und die Frau mit den Waffen schienen seine Leibgarde zu sein.

Dirk kannte die Figur des "Attila der Hunnenkönig" bzw. sein Alter Ego "König Etzel" aus verschiedenen Fantasy-Virtuell-Reality-Spielen. Es hatte sicher einen Grund, dass der Ankömmling so genannt wurde.
Evi und Gerald bewirteten den König und sein Gefolge aus den mitgebrachten Vorräten und plauderten dabei munter weiter. Dirk ging vor das Haus und betrachtet sich das Fahrzeug. Es war ein antiquierter Schützenpanzer mit einem darauf montiertem Maschinengewehr, das vom Einstiegsturm aus bedient werden konnte. Darin stand eine weitere Frau, die Hände am Gewehr, und sicherte anscheinend das Gelände.
"Hallo", grüßte Dirk die junge Frau und nickte ihr zu. "Wau, ein Panzerwagen mit Maschinengewehr! Das hätte ich hier nicht erwartet!"
Die Kriegerin musterte den Fremden gründlich und fragte: "Du bist wohl noch nicht lange hier bei uns. Kommst aus dem Computerland?"
"Ja, bin erst vor ein paar Wochen angekommen. Aber es gefällt mir gut hier."
"Weil du Glück hattest, hier in unser Land zu kommen. Wir, König Etzel und seine Leute sorgen für Ordnung und Sicherheit. Was glaubst du, wie es anderswo in den Reservaten zugeht!"
Das war es also. Der König hatte irgendwoher Waffen und Fahrzeuge ergattert, ein paar Desperados um sich geschart und ein Königreich gegründet. Da war von Wintertribut die Rede. Vermutlich ließ sich die Truppe von den beschützten Untertanen bezahlen. Gar nicht dumm!
"Mich wundert, dass der Panzerwagen fährt! Ich dachte in den Reservaten funktioniert keine Elektronik?"
"Da ist keine Elektronik. Das ist ein Diesel. Der braucht keine Zündanlage. Der Motor wird mit der Hand angeworfen!"
"Verstehe, deshalb stellst Du den Motor nicht ab. Das ist bestimmt eine Menge Arbeit, den mit der Hand wieder anzuwerfen."
"Genau, ein scheiß Job, so ohne Vorglühen!" Die junge Frau plapperte nach, was die Alten ihr erzählt hatten.
Dirk lächelte sie an. "Ich heiße Dirk! Verrätst du mir deinen Namen?"
Die Frau im Waffenturm erwiderte das Lächeln: "Angela, hallo Dirk! Was machst du hier im Auffanglager, wenn du schon einige Wochen in unserm Land bist?"
Dirk zögerte einen Moment. Er war sich unsicher, wie sie es aufnehmen würde.
"Ich muss mich beim System melden. Ich bin ein hoch geheimer Agent", sagte er mit spaßhaft bedeutungsschwangerem Blick.
Angela lachte: "Dann solltest du es nicht jedem auf die Nase binden! Die meisten von euch sind Agenten. Aber jetzt kommt gleich einer, der ist kein Agent, sondern ein echter Feind des Systems!"
Dirk war überrascht: "Wird euch das angekündigt? Oder woher wisst ihr das?"
"Ja, wir haben ein Abkommen mit den Computern. Im Gebäude der Plattform gibt es einen Aushang, der uns Ausgewiesene ankündigt mit einem Hinweis, wie gefährlich sie sind."
In dem Moment kam Gerald aus der Hütte.
"Guten Tag, Angela!", grüßte er die Wächterin des Panzerwagens.
An Dirk gewandt fuhr er fort: "Lass uns mal eben zur Plattform gehen und uns anmelden. Mal sehen, wann wir einen Termin mit George bekommen."


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 28.05.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#23 von petias , 05.05.2021 11:06

NWO 23: George - Gehe nie zu deinem Fürst', wenn du nicht gerufen wirst!

Colette und George saßen im Wintergarten plaudernd beim Frühstück. MADELENE, Georges PersA, meldete sich über Lautsprecher:
"George, du wolltest umgehend informiert werden. Soeben hat Agent Dirk Slawinski eine Kontaktanfrage geschickt. Soll ich sie einspielen?"
George musste nicht lange überlegen: "Ja MADELENE, bitte!"
Sogleich konnte man die etwas schüchterne, leicht stotternde Stimme des von ihm ausgesandten "Agenten des Systems" hören.
"Herr Liu, hier spricht Dirk Slawinski, Identitätsnummer: DS-049-1334-CD-7798 von Plattform 17. Ich konnte einige der von ihnen gesuchten Kontaktpersonen ausfindig machen. Mit mir ist ihr - äh ist Gerald Bogner und Eva Schuller auf der Plattform und bitten um ein Gespräch. Sie wissen einiges über die anderen Personen auf der Liste. Bekommen wir einen Gesprächstermin?"

Colette verschluckte sich an ihrem Multivitaminsaft: "Hey, dein Vater lebt! Du solltest gleich mit ihm sprechen"
Ehe George noch was sagen konnte meldete sich MADELENE wieder: George, Elias will mit ihnen sprechen. Der Sprecher des Komitees. Darf ich ihn durchstellen."
"MADELENE, bist du sicher, D E R Elias?"
"Er hat sich mit seiner ID- Nummer und Online-Zertifikat ausgewiesen. Es besteht kein Zweifel. Du solltest mit ihm sprechen George!"
"Ja, klar! Stelle ihn durch MADELENE."
"Verbindung steht!", meldete die PersA.
"Herr Elias", wandte sich George an den Anrufer. "Welch große Ehre! Was kann ich für sie tun?"
"Herr Liu", Elias kam gleich zur Sache. "Ich habe nicht lange nach der Wende ihren Vater getroffen. Wir hatten verschiedene Diskussionen. Es wurde dabei eine Gruppe von Personen erwähnt die Uris genannt wurden. Wissen sie von denen?"
"Ja, ich habe als Kind ein paar von ihnen zusammen mit meinem Vater getroffen. Aber das ist mehr als 20 Jahre her."
George wusste gar nicht, wie ihm geschah. Da kontaktierte ihn der vermutlich mächtigste Mensch der Erde, eröffnete ihm, dass er seinen Vater kannte und fragte nach den Uris, von denen kaum jemand etwas wusste. Und die, die von ihnen wussten, kannten eher Legenden als Tatsachen.
"Es heißt, es wären Leute, die seit Jahrhunderten sehr zurückgezogen in unwirtlichen Gebieten der Erde lebten und über erstaunliche Fähigkeiten und Kräfte verfügen würden."
"Was für Kräfte?", wollte der Sprecher des Komitees wissen.
"So genau weiß das keiner. Man hörte davon, sie könnten Gedanken lesen, sich unsichtbar machen. Im Grunde traute man ihnen alles zu. Ich war noch ein Kind. Vielleicht handelte es sich eher um Märchen als um Tatsachen."
"Ich dachte, sie hätten welche getroffen?", hakte Elias nach.
"Ja, aber die haben ihre Fähigkeiten, wenn sie welche hatten, nicht zur Schau gestellt. Sie traten nicht auf wie Zauberer im Varieté. Was ich vor allem Anderem an Eindruck zurück behielt: Sie wurden von allen mit Respekt behandelt."
George war unbehaglich. Was wollte sein oberster Chef von ihm. War das eine Art Test?
Elias hielt sich nicht lange mit Georges Antwort auf.
"Haben sie Kontakt zu ihrem Vater?", fragte er weiter.
George zögerte. Er begab sich auf dünnes Eis. Wie könnte er legaler Weise Kontakt zu seinem Vater haben, der seit vielen Jahren in den Reservaten lebte. Wurde er gerade wegen des Auftrags an seinen Agenten befragt? Aber doch nicht von Elias persönlich. Was ging hier vor?
"Nein", rückte er schließlich mit seiner Antwort heraus. "Aber eben, kurz vor ihrem Anruf, hat sich ein Agent gemeldet, der ihn getroffen hat. Er hatte den Auftrag das 'Königreich' um Plattform 17 zu beobachten. Satellitenbilder zeigen immer wieder Bewegungen von Militärfahrzeugen. Bei der Gelegenheit hat er meinen Vater und andere Bekannte von früher getroffen, die dort immer noch leben."
"Ist ihr Agent noch auf der Plattform?", wollte Elias wissen.
"Ja, er hat eine Kontaktanfrage abgesetzt und wartet auf meine Antwort. Mein Vater ist bei ihm."
"Bestellen sie den Agenten sofort ein. Er soll sich bei ihnen zum Rapport melden. Ihren Vater ins System bringen zu lassen würde zu viel Aufsehen erregen. Schließlich ist er kein Agent, sondern ein WILDER. Ich will sie und ihren Agenten sehen!"
George wurde schwül.
"Sollen wir nach Mundunia kommen?"
"Nein", der Komitee- Sprecher überlegte kurz. "Ich habe morgen in Europa zu tun. Ich treffe sie in Wien. Wann und wo stellt mein PersA ihrem PersA zu. Und - bitten sie ihren Vater um Informationen zu den Uris. Ich muss los. Bis morgen!"


"Er ist weg!", meldete MADELENE.
"Danke, MADLENE, stelle bitte eine Verbindung zu Dirk Slawinski auf Plattform 17 her."


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 01.06.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#24 von petias , 11.05.2021 11:56

NWO 24: Dirk - They never come back?

Nachdem Dirk die Nachricht an seinen Agentenführer Liu gesprochen hatte, wies ihn der Kommunikator an, im Aufenthaltsbereich der Plattform auf Antwort zu warten. Er verließ die Kommunikationskabine, die er nur alleine hatte betreten können, und fand Gerald am Geländer stehen, das der ca. 500 Meter entfernten Mauer direkt gegenüber lag.
"Wärst Du gerne auf der anderen Seite der Grenze, bei deiner Familie?", fragte Dirk den Mann, der den Blick an dem Grenzwall festgesogen in tiefem Nachdenken versunken schien.
"Ah, Dirk! Hattest du Kontakt?". Gerald tauchte aus seinem Gedankensee an die Oberfläche. Die Frage schien er nicht gehört zu haben. Zumindest ging er nicht darauf ein.
"Ich soll warten, bis ich aufgerufen werde. Ich habe auch erwähnt, dass du und Evi hier sind. Vielleicht bekommen wir alle drei ein Audienz bei deinem Sohn."
Während ihres Wortwechsels war ein Hubschrauber fast lautlos auf den Landeplatz der Plattform herabgeschwebt. Genau so ein Gerät, mit dem Dirk vor einigen Wochen hier abgesetzt worden war. Erst vor einigen Wochen? Dirk kam es vor, als wäre das mindestens vor einem halben Jahr gewesen.
Aus dem Fluggerät wurde ein großer Rollkoffer geworfen. So einen Trolly hatte Dirk noch nicht zuvor gesehen. Er schien sehr stabil und hatte große breite Räder, die dem Monster eine gute Bodenfreiheit verschafften. Das schien ein Transportgerät für unwegsames Gelände zu sein. Gleich neben dem Koffer landete ein gewaltiger Expeditionsrucksack mit aufgeschnalltem Schlafsack und dran geschnürtem länglichem Paket, das Dirk für ein Zelt hielt. Der vermutliche Besitzer der Gepäckstücke, ein breiter, fast zwei Meter großer Mann Anfang vierzig, landete schimpfend zwischen seiner Habe. Wütend schüttelte er die geballte rechte Faust hinter dem Gleiter her, der, kaum hatte er seine Fracht gelöscht, sofort wieder abgeflogen war.
Das wirkte nicht wie die inszenierte Aussetzung eines Agenten, wie das bei ihm gemacht worden war. Hier handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Verbannten, den Angela und die anderen in Empfang nehmen wollten. Kam der früher als angekündigt? Oder warum war Attila und sein Gefolge noch nicht zur Stelle?
"Das ist der Kunde von König Etzel!"
Gerald hatte die Szene auch beobachtet. "Bestimmt liegen die bereits im Wald auf der Lauer und beobachten ihn durch Ferngläser."
"Was machen die mit dem?", wollte Dirk wissen.
Aber noch bevor Gerald antworten konnte, wurde er von einer Lautsprecherstimme eindringlich aufgefordert, sich unverzüglich in die Kommunikationskabine zu begeben.
Während Gerald wartete, bis Dirk wiederkommen würde, kam der Hubschrauber zurück, der eben den gut ausgerüsteten Hünen abgesetzt hatte. Dass es derselbe war, konnte man an der weithin sichtbaren Identifikationsnummer erkennen: C-176.
Nach wenigen Minuten kehrte Dirk zurück.
"Ich werde über die Mauer gebracht. Ich treffe deinen Sohn morgen in Wien. Keine Ahnung, was da los ist. Ich soll dir von George ausrichten, dass er dich im Kommunikationsraum 5 erwartet."

Dirk sah etwas verunsichert aus. Er ging auf den Hubschrauber zu. Er sollte zurück ins System gebracht werden. Dabei hatte es geheißen, die Agenten würden nicht zurück kommen. Der Spruch: "they never come back" war offensichtlich nicht nur für Boxweltmeister falsch, sondern auch für Agenten des Systems. Kaum war er über die Leiter an Bord gestiegen, hob der Flugtransporter schon wieder ab.

Gerald machte sich klopfenden Herzens auf den Weg zu Raum 5.


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 20.05.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#25 von petias , 18.05.2021 13:32

NWO 25: Wien - Simmering - Zentralfriedhof - Alter jüdischer Friedhof - Grabmal des Elias

MADELENE hatte George ein Bild übermittelt, das sie von MENACHEM, dem PersA von Elias bekommen hatte.



Treffen mit Agent - morgen 10:30 Uhr -Wien - Stadtteil Simmering - am Fernbahnhof - Lokation B7. Beide Treffen mit mir - 11:30 Uhr - Wien Zentralfriedhof - Alter jüdischer Friedhof - Grabmal des Elias.

MADELENE lieferte dazu ein paar Hintergrundinformationen:

Es handelt sich um ein Familiengrab. Dessen Bau wurde im April 1908 von Jacques Menachem Elias jun. in Auftrag gegeben anlässlich des Ablebens seines älteren Bruders Abraham Menachem Elias, Seniorchef des familieneigenen türkischen Grosshandelsunternehmens "Gebrüder A. H. Elias", das seinerzeit von Menachem H. Elias sen., dem Vater der beiden, gegründet worden war.
Erbaut in orientalischem Stil aus weißem Marmor erinnert es an das berühmte Taj Mahal.
Das Mausoleum wirkt wie von einem netzartigen Ornament überzogen, das neben den üblichen orientalischen Motiven insbesondere auch aus Rosetten und Davidsternen besteht, die Bezug nehmen auf das Judentum der Verstorbenen. Stolze 90.000 Kronen hat seinerzeit das kleine Baujuwel gekostet.


Alle die Vorfahren der Familie Elias schienen "Menachem" in ihrem Namen zu tragen. Kein Wunder, dass Elias PersA MENACHEM hieß!
Was mochte den Sprecher des Komitees dazu veranlassen, sich mit Agent Dirk Slawinski und ihm am Grab seiner Familie zu treffen?
Warum Interessierte sich Elias für die Uris? Sein Vater hatte die Vermutung, dass er oder gar das System in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte, für deren Bewältigung sie sich Hilfe von den Uris erwarteten. Was konnte das sein? Und warum fand dieses Treffen auf fast konspirative Weise statt? Warum auf einem Friedhof am Grab der Familie und nicht in einem hochfunktionalem weltweit vernetzten Konferenzraum, der physikalisches Reisen unnötig macht? George fiel nur eine Antwort ein. Die Algorithmen des Systems sollten möglichst wenig davon mitbekommen. Ein Besuch auf dem Friedhof war sowohl draußen an einem stillen Ort, als auch einigermaßen unverdächtig.

Als George an der verabredeten Stelle im Fernbahnhof in Wien-Simmering eintraf, wartete Dirk schon auf ihn. Der war von der Plattform 17 direkt nach Wien in ein Hotel gebracht worden. Die meiste Zeit hatte er dem stationären Kommunikator gewidmet, mit dem das Hotelzimmer ausgestattet war. Persönliche Nachrichten hatte er keine. Das war auch nicht zu erwarten gewesen. Er war ausgewildert worden, also praktisch tot. Er hatte ein paar Nachrichten verfolgt. Nichts besonderes, nichts was ihn unmittelbar angesprochen hätte.
Die Virtual Reality Spiele, die er früher so gern gespielt hatte, hatten ihm nicht den gewohnten Kick gegeben.
Er hatte nach dem Begriff "URI" in der Suchmaschine des Kommunikators gesucht.
Die häufigsten Antworten waren davon ausgegangen, dass das die Abkürzung für Uniform Ressource Identifier gewesen war. Ein antiquierter Standard für Internet- und Emailadressen, Websites etc..
Auch über den Kanton "Uri" in der Schweiz hatte es einige Informationen gegeben. Der lag jetzt fast vollständig in den Reservaten. Aber die Uris waren sicher nicht die früheren Einwohner des Schweizer Kantons Uri.
Was hatte er auch erwartet? Wenn Elias nichts darüber wusste, dem das komplette gespeicherte Wissen der Menschheit zugänglich war, wie sollte dann eine brauchbare Information zu ihm durchdringen, einem unidentifiziertem Niemand in einem Hotelzimmer.
Schließlich hatte er ein paar Stunden unruhigen Schlafes gefunden. Von dem reichhaltigem Frühstücksangebot hatte er nur spärlichen Gebrauch gemacht und sich weit vor der Zeit einen Transporto zum Fernbahnhof genommen. Dirk hatte sich nicht gewundert, dass der ihn erkannte, obwohl er keinen Kommunikator bei sich getragen hatte, vermutlich an seinen biometrischen Daten. Nach seinem Ziel war er nicht gefragt worden. Es gab nur ein einziges, zu dem er legitimerweise Zugang hatte. Wozu fragen?

Nach kurzem Gruß und etwas Smalltalk machten sich Agentenführer und Agent auf den Weg: "Zentralfriedhof - Tor 11", nannte George dem Transporto als Ziel. Das Grabmal lag dort ganz in der Nähe.
Der Wiener Zentralfriedhof war einer der größten und bekanntesten Friedhöfe weltweit, die noch erhalten waren und gepflegt wurden. Er war mehr ein Museum, denn eine Begräbnisstätte. Schon seit Jahrzehnten wurden keine Toten mehr in Gräbern auf Friedhöfen bestattet. Die Entsorgung der Leichname erfolgte in Einrichtungen, die aus historischen Gründen "Krematorium" hießen. Aber es musste bezweifelt werden, dass die Toten, dem Namen entsprechend verbrannt wurden. Es war eher eine Recyclinganlage, die Energie und Dünger oder sonstige Rohstoffe aus den Körpern gewann. Das Gedenken fand ausschließlich digital in virtuellen Friedhöfen statt.
Die paar Minuten bis zum verabredeten Termin sahen sich die beiden Männer das beeindruckende Denkmal an, das das Grabmal des Elias seit mehr als 150 Jahren war.
Mit nur zwei Minuten Verspätung schwebte das Gefährt, das einer rieseigen Flugdrohne glich, auf das Friedhofsgelände vor dem Mausoleum herunter. Etwa drei Meter über dem Boden verharrte es in der Luft und sechs bewaffnete Cyborgs schwebten zu Boden, um das Gelände zu sichern. Vermutlich auf ein unsichtbares Signal hin schwebt auch Elias zu Boden. Die Flugmaschine zog sich fast lautlos, wie sie gekommen war wieder zurück. Die Wächter verteilten sich um das Mausoleum herum und hielten genug Abstand, um dem Gespräch einen privaten Rahmen zu sichern.

"Danke, dass sie gekommen sind!"
Elias lud seine Gäste ein, sich mit ihm auf die Marmorsockel innerhalb der Umfriedung des Grabes zu setzen.
Er wendete sich an George: "Herr Liu, konnten sie von ihrem Vater etwas über die Uris erfahren?"
Dieser hatte die Frage erwartet, und hin und her überlegt, was er sagen sollte.
"Ja, wir haben darüber gesprochen. Mein Vater hatte zum ersten Mal Kontakt mit ihnen, bzw. ihrem Umfeld, als er 18 Jahre alt war. Er wurde damals mit der Hilfe von diesem Umfeld von einer Krebskrankheit geheilt, die mit den medizinischen Mitteln der damaligen Zeit nicht hätte geheilt werden können."
"Entschuldigen sie, dass ich unterbreche!"
Elias fasste George an den Oberarm.
"Was meinen sie mit Umfeld?"
George wurde klar, dass er etwas weiter ausholen musste.
"Leute aus dem Umfeld der Uris, geschweige denn einen Uri selbst, trifft man nicht in Städten und Dörfern, sondern beim Wandern in Wald und Flur, Berg und Wüste. Man trifft dort auf andere Wanderer und einige von denen sind praktisch immer auf "Tour". Immer unterwegs. Sie bleiben nur für Tage oder Wochen, auch mal für ein paar Wintermonate an einem Ort, sonst ziehen sie durch die unbesiedelte Natur. Dadurch sind gewisse Strukturen entstanden. Plätze, wo man sich trifft. Systeme gegenseitiger Hilfe. Da gibt es einen inneren Kreis, zu dem die Uris selbst gehören und nahe Vertraute und einen äußeren Kreis von Wanderern und Naturverbundenen, die da und dort mit Vertretern dieses inneren Kreises in Berührung kommen, Hilfe empfangen oder helfen.
Die Verbindung zwischen den Uris und diesem äußeren Kreis oder gar den Gelegenheitswanderern und Sesshaften, sind die Pilger. Das sind Frauen und Männer, die sich wie Menschen benehmen, die sich auf einer Pilgerreise befinden, etwa auf dem Jakobsweg, einem eurasienweitem Wanderwegenetz, das nach Santiago de Compostela führt, ein seit dem Mittelalter beliebter Pilgerort.
Diese Pilger helfen anderen Wanderern, beschützen sie, bringen sie in Sicherheit. Seit der Wende mischen sie sich dezent in die lokale Politik ein, bestrafen Verbrecher, beraten und helfen."
Jetzt mischte Dirk sich ein. "Mich hat so ein Pilger von der Auffangstation der Plattform 17 zu der Siedlung gebracht, wo ich Gerald, den Vater von Herrn Liu traf. Er hat mir ein Buch geschenkt."
Dirk hielt Elias das kleine Büchlein mit der Aufschrift "Die Tour" an ausgestrecktem Arm entgegen. Elias scannte es mit seinem Kommunikator.
"Danke, stammt aus der Zeit vor der Wende. Wir haben es im System. Ich werde es mir mal ansehen."
"Jedenfalls", fuhr George fort, "verfügen die über erstaunliche Fähigkeiten. Ich weiß es nicht, wie sie es machen, aber einige scheinen Gedanken lesen, und sich und ihre Begleiter unsichtbar machen zu können. Einige kommunizieren über große Strecken hinweg mit anderen ohne sichtbare technische Hilfsmittel. Einige sind sehr gute Kämpfer, vor allem den Wanderstab, den sie mitführen wissen sie sehr effektiv einzusetzen. Die Uris selbst scheinen über große geistige Kräfte zu verfügen. Es heißt, sie wären mittels einer Art Meditation, wenn sie ihre Kräfte zusammenschließen, in der Lage die Geschicke der Welt zu beeinflussen. Aber nicht alle sind sich darüber einig, ob sie das auch tun sollten. Mein Vater sagt, sie seien sehr viel weiter in die Erkenntnis der Kräfte eingedrungen, die den Kosmos steuern, als irgendwer sonst unter den Menschen. Aber sie sind sich nicht einig darüber, was sie mit dieser Erkenntnis anfangen sollen."

Gorge hatte vorerst genug gesagt. Elias lies das Gehörte eine Weile auf sich wirken.
Schließlich schien er aus einer Art Trance zu erwachen und fing an zu sprechen:
"Unter normalen Umständen würde ich sagen, dass das nach einem Hinterwäldler- Mythos aus dem Barbarenland klingt und es mit einer Handbewegung von der Tischfläche wischen. Aber zwei Umstände hindern mich daran. Ich habe Gerald Bogner, ihren Vater kennengelernt und seinen Freund und Mentor Michael Schuller, der wohl schon eine Weile tot sein dürfte. Ich halte von ihren Einschätzungen und Erkenntnissen heute mehr als damals, und werde mich hüten, ihre Meinung leichtfertig abzutun. Der zweite und noch schwerwiegendere Grund: es ist für die gesamte Menschheit von größter Bedeutung, dem Komitee und MUNDUNIA nachzuweisen, dass wir Menschen zu mehr fähig sind, als technische Produkte zu erschaffen, die uns längst in allen diesen technisch- wissenschaftlichen Bereichen um Längen überflügelt haben. Vielleicht sind die Uris hierfür unsere einzige Chance. Wir müssen sie finden und dazu bewegen, zweifelsfrei und unwiderleglich Proben ihres Könnens und ihrer Erkenntnisse abzuliefern."


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 28.05.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#26 von petias , 22.05.2021 13:24

NWO 26: (Ausge)wild(ert) und frei

Der Zweimetermann hatte seinen Rucksack geschultert und stieg die Treppe hinunter, die von der Plattform zu dem Sicherheitsstreifen führte, in dem sie lag. Der Trolly hüpfte laut scheppernd Stufe für Stufe hinter ihm her. Unten angekommen wandte er sich nicht, wie man erwarten würde, dem Wald zu, sondern ging in die entgegengesetzte Richtung, wo die Mauer stand. Aber nur wenige Meter weit. Dann versteckt er sich hinter einer der Säulen, die die Plattform trugen, so dass er von der Treppe aus und vom Waldrand nicht gesehen werden konnte.
Er nahm den Rucksack ab und lehnte ihn gegen die Säule. Den Mantel zog er aus und warf ihn über den Rucksack. Durch das ärmellose Muskelshirt zeichnete sich seine hart erarbeitet Fitness- Studio Figur ab. Dann öffnete er den Rollkoffer. Stück für Stück entnahm er ihm seine sorgfältig zusammengestellte Ausrüstung: paramilitärische Kampfschuhe, Schienbeinschützer, Cargo- Multifunktionshose mit vielen Taschen, einen breiten Gürtel mit diversen Geräten daran geschnallt: Klapphackspaten, kleines Teleskop- Fernrohr, Multifunktionswerkzeug, Handschellen, erste Hilfe Set, Survival- Kit mit reißfester Kunststoffleine, Angelhaken, Zündhölzer die selbst zündeten und brannten wenn sie nass geworden waren, verschiedene Nadeln, Fadenspule, langen dünnen spitzen zweischneidigen Dolch und noch so einiges mehr.
Auch einen Brustpanzer aus festem Kunststoff legte er sich an. In gotischen Schriftzeichen war das Wort "Conan" aufgemalt. Er hatte ihn als einen Merchandising- Artikel zu einem Virtual- Reality - Spiel gekauft. "Conan der Barbar" hatte das Spiel geheißen und das war er jetzt: Conan im Land der Barbaren!
Einen Helm mit integriertem Visier setzte er sich auf den Kopf. Von der rechten Schulter zur linken Hüfte verlief der breite Gürtel, den der Koffer ebenfalls ausgespuckt hatte. Auf der Vorderseite des Brustgürtels steckten vier Wurfmesser in dafür vorgesehenen Öffnungen und auf der Rückseite war, so dass er es mit einem Griff über den Kopf zum Rücken erreichen konnte, ein gewaltiges Bowie Knife mit einer Klingenlänge von 45 cm befestigt. Das Rückenteil des Rucksacks enthielt eine Mulde, so dass das Messer beim Tragen nicht drückte und er jederzeit das Messer ziehen konnte. Als letzte Utensil entnahm er eine metallene Teleskoplanze, die er als Wanderstab nutzen wollte. So hatte er eine Waffe buchstäblich immer zur Hand. Den Mantel zog er wieder über, nahm den Rucksack auf und marschierte parallel zu Mauer und Wald los. Den Rollkoffer lies er achtlos zurück.
Er schritt kräftig aus und scannte den Waldrand immer wieder mit seinem Fernrohr, während er lief. Alles schien ruhig zu sein. Nach ca. einem Kilometer wandte er sich dem Waldrand zu und verfiel in einen flotten Laufschritt. In wenigen Minuten war er in den Schutz des Waldes eingetaucht.
Nachdem er ca. 50 Meter in den Wald eingedrungen war, hielt er sich rechts und bewegte sich parallel zum Waldrand wieder in Richtung Plattform. Er wollte es einem eventuellen Beobachter, und seien es nur die Nachrichtensatelliten des Systems, so schwer wie möglich machen. Nur wenn er unbeobachtet durch das Barbarenland streifen konnte, würde er sich wirklich frei fühlen.
Nicht lange nachdem er in der Deckung des Waldes die Plattform passiert hatte, stieß er auf einen Weg. Vorsichtig folgte er ihm tiefer in den Wald hinein. Es wäre sicher keine gute Idee gewesen viel länger in der Nähe der Mauer und des Schutzstreifens zu bleiben. Nicht lange, und eine Hütte tauchte auf. Conan schlug sich sofort in die Büsche und umrundete den Bau vorsichtig. Als er die Hütte von der anderen Seite aus einsehen konnte, sah er auf dem Platz vor der Hütte mehrere Leute um ein altes Panzerfahrzeug stehen.
"Mist, die Kiste ist ausgegangen!", hörte er eine weibliche Stimme sagen.
"Keine Zeit ihn wieder anzuwerfen. Ich möchte den Psycho nicht verpassen und bald ist Mittag. Wir gehen zu Fuß zur Plattform. Alexej, du bewachst den Tank!"
Die Anderen nahmen ihre Waffen auf und machten sich daran abzurücken. In dem Moment trat eine Frau aus der Tür, mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken.
"Nehmt ihr mich mit? Gerald und Dirk sind jetzt schon seit Stunden weg, dabei wollten sie lediglich einen Termin machen. Ich möchte mal sehen, was da Sache ist."
"Klar, Evi, komm mit", lud derselbe Mann die Frau ein, der vorher schon die Anweisungen gegeben hatte. Das war zweifellos der Bos. Die Gruppe zog ab, den Weg entlang, den er gekommen war. Gut, dass er sich rechtzeitig verkrümelt hatte. Die hatten alle Schusswaffen! Der "Psycho", den die suchten, konnte nur er selbst sein. Wie gut, dass er ein paar Stunden früher dran war als ursprünglich geplant. Sonst wäre er denen direkt in die Hände gelaufen. Was die alles über ihn wissen mochten? Egal, seine neue Freiheit schien unter einem guten Stern zu stehen.
Er nahm leise und vorsichtig den Rucksack ab und lehnte ihn an die der Hütte angewandten Seite eines Baumes. Er zwang sich noch 5 Minuten zu warten, nachdem die Stimmen seines Empfangskomitees verklungen waren. Zum Glück hatte er eine mechanische Armbanduhr auftreiben können, denn ein elektronischer Zeitgeber hätte hier in den Outbacks nicht funktioniert. In einer solchen Situation, das wusste er genau, verlor er jedes Zeitgefühl. Er hätte sicher schon nach dreißig Sekunden gedacht, die selbst verordneten fünf Minuten Wartezeit seien um.
Endlich war es so weit. Conan unterdrückte seine Erregung und zwang sich vorsichtig und leise, Schritt für Schritt an den Panzer heranzupirschen, auf dem der zur Wache verdonnerte Alexej seinen freien Oberkörper in die Sonne reckte. Von unten wärmte ihn das durch die Mittagssonne warm gewordenen Metall des Panzers.
Als der Sonnenbadende aufblickte, mehr durch ein Gefühl fremder Präsenz, als durch ein Geräusch gewarnt, war es bereits zu spät. Der metallene Stab, der seine Brust durchbohrte, war das letzte, was er in seinem Leben wahrnahm.
Conan zog seine Lanze aus dem Toten und wischte sie mit dessen ausgezogener Oberbekleidung sauber. Ein perfekter Stoß zur rechten Zeit! Der Gegner hatte nicht mal die Gelegenheit auch nur einen Laut von sich zu geben, von dem leisen Röcheln mal abgesehen. Er zog die Leiche an seinem herabhängenden Arm vom Panzer und kletterte selbst hinauf. Die Luke stand offen. Nur mit Mühe konnte Conan seinen gut trainierten Heldenkörper durch die Öffnung des Panzerturms zwängen. Aber die Mühe hatte sich gelohnt. Er fand einen schweren Armeerevolver und zwei Pakete Munition. Alles andere war für ihn unbrauchbar. Auch mit dem Gewehr des Toten, oder gar dem MG im Panzerturm, wollte er sich nicht belasten. Zudem sah er den Opfern lieber in die Augen, wenn er sie tötete.
Nach dem Panzer durchsuchte er die Hütte. Zur Sicherheit packte er ein paar Essensvorräte ein. Sie sahen zwar wenig vertrauenswürdig aus, aber daran würde er sich gewöhnen müssen. Der Preis der Freiheit! Und Freiheit ist das Wichtigste. Ein Mann fühlt sich nur als Mann, wenn er gerade einen anderen Mann getötet oder eine Frau vergewaltigt hatte. Schade, dass nicht noch eine der Frauen als Bewachung zurückgelassen worden war, sonst hätte er beides haben können.
"Wer weiß, wofür es gut ist", dachte der vom System preisgünstig entsorgte Neuankömmling. Nicht, dass er noch überrascht werden würde. Der Platz war zu öffentlich, die Mauer zu nah. Aber sein Psychiater hatte nicht zu viel versprochen: in dieser Welt konnte er der sein, der er war!


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 12.06.2021 | Top

RE: Neue Weltordnung

#27 von petias , 26.05.2021 17:15

NWO 27: Colette und George - Honeymoon im Barbarenland?

Colette und George schlenderten Hand in Hand durch den Grunewald. Der wirkte an vielen Stellen etwas abgewohnt durch die Millionen Spaziergänger und Freizeitwanderer, die ihn jedes Jahr besuchten. Trotzdem war er sehr vielfältig und schön. Vor allem konnte man ihn schnell erreichen von ihrer Wohnung in Zehlendorf aus. Colette war nach der Hochzeit bei George eingezogen. Mit seiner Mutter verstand sie sich gut. Mit dazu bei trug zweifellos der Umstand, dass das Haus zwei getrennte Wohnungen hatte, und Sina eine vielgereiste Frau war.

Mitten in die Vorbereitungen ihrer Flitterwochen - unter anderem war eine Reise nach Mundunia in der engeren Wahl, mit Ausflügen in die vielfältigen Erscheinungsformen der Wüste Gobi in der Mongolei, in der die Hauptstadt der Erde lag - war der Anruf von Elias, dem Sprecher des Komitees geplatzt und hatte ihre kleine Idylle gründlich durcheinandergewirbelt. Am Tag darauf war George nach Wien gereist, um Elias zu treffen. Colette hatte es kaum erwarten können, von George zu hören. Erst am späten Nachmittag war der erlösende Anruf gekommen. Aber George war unspezifisch geblieben, hatte nur beteuert, dass alles in Ordnung sei und er gegen Abend wieder zuhause sein würde.
Tatsächlich hatte ihn gegen 17:30 Uhr, es war schon dunkel gewesen, ein Transporto vor der Haustüre abgesetzt.
Elias wollte, dass George zusammen mit seinem Agenten Dirk in die Reservate reiste und Kontakt mit seinem Vater Gerald aufnahm. Zusammen sollten sie eine Gruppe Menschen ausfindig machen, die Uris genannt wurden und sie veranlassen sich dem System gegenüber zu offenbaren. Was es da zu offenbaren gab, wusste keiner so genau.

"Du hast allen Ernstes zu Elias gesagt, du würdest nur gehen, wenn ich es erlaube?"
Colette sah George mit ihrem zweifelnden, leicht spöttischen Blick an, der ihm so vertraut war, aber den er auch manchmal fürchtete.
"Ich habe nicht gesagt, dass ich dich um Erlaubnis fragen würde. Ich habe darauf bestanden, es vorher mit dir abzusprechen. Das macht man doch so unter Partnern, findest du nicht?"
"Ehepartnern", verbesserte Colette.
George fuhr fort:
"Aber ganz ehrlich, ich wäre enttäuscht, wenn es für dich in Ordnung wäre, dich von mir für unbestimmte Zeit zu trennen. Tatsächlich würde ich nur gehen, wenn du mitkämst. Aber das werde ich nicht von dir verlangen. Durch die Reservate zu reisen, auf der Suche nach den Uris ist keine leichte Aufgabe. Wir, oder schlimmer, du könntest dabei umkommen. Selbst wenn nicht, ob wir jemals ins System zurückkehren könnten, ist absolut ungewiss. Schließlich ist das in der Satzung ausdrücklich verboten."
"Obwohl Elias dir sein Wort gibt? Traust du ihm nicht?"
George dachte einen Augenblick nach: "Doch schon, aber ich bin mir nicht sicher, ob er so kann, wie er gerne möchte. Er sprach davon, dass wir das Komitee und MUDUNIA von etwas überzeugen müssten. Das klingt für mich nicht so, als ob seine Macht unbegrenzt wäre. Was ist, wenn wir die nicht überzeugen können?"

"Wenn ich dich richtig verstanden habe", erwiderte Colette, "dann ist diese Mission, auf die er dich senden möchte, von größter Bedeutung für alle Menschen. Das Komitee und die KI, die mit ihm verbunden ist, scheinen Pläne mit uns Menschen zu haben, die uns nicht gefallen können. Die Uris, finden wir sie und überzeugen wir sie - auch wenn ich immer noch nicht recht begriffen habe wovon - könnten das ändern. Was gibt es da noch zu überlegen. Lass uns gehen George. Retten wir die Menschheit!"

"Ja", George ließ sich von ihrer Begeisterung anstecken. Verschieben wir unserer Flitterwochen nach Mundunia. Wir reisen zusammen mit den Uris da hin und treten den Blechkameraden in den Allerwertesten!"

"Erst mal besuchen wir deinen Vater und machen Flitterwochen im Barbarenland!" Colette schaute George lachend ins Gesicht und kuschelte sich dann an seine Schulter.


petias  
petias
Beiträge: 894
Registriert am: 09.06.2020

zuletzt bearbeitet 26.05.2023 | Top

   

Fiktive Geschichten
Buchbesprechung Bill Gates: Wie wir die Klimakatstrophe verhindern

Xobor Ein eigenes Forum erstellen
Datenschutz